Wir befinden uns im Sommer 2022. Ganz Deutschland ist versammelt in Abflughäfen, auf Stränden oder bei der UEFA Women’s EURO und schwitzt. Ganz Deutschland? Nein! Ein von unbeugsamen Bürgern und Räten bevölkertes Dorf hört nicht auf, gegenseitig Widerstand zu leisten …
Nur die Initiative „Bürgerbegehren gegen den Abriss der alten Schule in Suderburg“, die erstmalig in Suderburg dieses demokratische Recht der Bürger in Anspruch genommen hat und einen Bürgerentscheid durchsetzen konnte, hat ihre Aktivitäten mit der nachfolgenden Mitteilung in der Gruppe „Suderburger“ auf facebook eingestellt:
Das diese Abstimmung auch negativ ausfallen konnte, war allen Aktiven von vornherein klar. Und so war die logische Konsequenz nach Bekanntgabe des Ergebnisses, die Niederlage anzuerkennen, die Initiative aufzulösen, und sich nicht an öffentlichen Folgediskussionen zu beteiligen oder zum Thema „nachzutreten“. Daran haben sich alle gehalten – Demokraten müssen auch Niederlagen aushalten.
Traurig ist, dass Teile von Politik und Verwaltung ohne Nachtreten anscheinend nicht können und im Nachhinein dem Bürgerbegehren die Schuld an den explodierenden Kosten des Hort-Neubaus geben. So war es jedenfalls der AZ-Berichterstattung mehrfach zu entnehmen.
Dabei vergessen sie wohlweislich: Hätten sie sich an ihren eigenen Ratsbeschluss von 2018 gehalten, den sie nach zwei untätigen Jahren 2020 wieder kippten, könnte der Betrieb des Horts seit langem laufen. Zu einem Bruchteil der heutigen Kosten …
War das Abstimmungsverfahren fehlerhaft?
Seit der Abstimmung wird von Bürgern (namentlich Andreas Koch) der Vorwurf erhoben, dass es bei der Abstimmung zum Bürgerbegehren zu Verstößen gegen die Wahlordnung gekommen sein soll.
Koch steht in der Sache nicht im Verdacht, der Initiative nahe zu stehen oder sie zu vertreten. Seine Motive sind anders gelagert.
Er selber hat eine Wahlbenachrichtigung erhalten, an der Abstimmung aber nicht teilgenommen: „Ob die Schule abgerissen wird oder stehen bleibt, ist mir egal. Mir geht es in dieser Sache ganz klar darum, dass die Wahlordnung missachtet und der Bürger in seinen Rechten beschnitten wurde“.
Seine Vorwürfe: Etliche Haushalte hätten keine Wahlbenachrichtigungen bekommen und es habe Beeinflussungsversuche von Rats-/Wahlausschussmitgliedern innerhalb von Abstimmungsräumen gegeben.
Das wirft tiefe Schatten auf Politik und Verwaltung, in die Licht gebracht werden muss. Dazu hat Koch inzwischen Staatsanwaltschaft und Kommunalaufsicht aktiviert, nachdem er keine befriedigenden Antworten seitens des Wahlleiters bekam.
Bösartig oder unüberlegt?
Unklar ist das Motiv einer Initiative von Bauamtsleiter Lilje, der um eine rechtliche Prüfung beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB) ersucht hat. Grund: Die „Briefkastensituation“ des unabhängigen Ratsherren Götz Schimmack.
Bei einem persönlichen Zustellungsversuch für eine Einladung zum Samtgemeindeausschuss und auf der Suche nach einem „aktiven“ Briefkasten, durchsuchte Lilje das Grundstück des Ratsherren, statt (naheliegend) an der Haustür zu klingeln. Er fand eine Zeitungsrolle, einen „unbenutzten“ Briefkasten und eine frei zugängliche, unverschlossene „Holzbox“, in die er die Einladung nicht einwarf. Was er nicht fand, war den vorhandenen, „aktiven“ Briefkasten in Form einer Milchkanne, für die Adresse Hinter den Höfen 2a. Stattdessen veranlasste er im Rathaus, dass Schimmack derartige Post zukünftig per Einschreiben mit Rückantwort erhält.
Darüber hinaus unterrichtete er umgehend sämtliche Mitglieder des Rates per Mail, dass er bei seinem persönlichen Zustellungsversuch aus seiner Sicht „rechtliche Probleme vorgefunden …“ – und auch gleich, ohne weitere Begründung – „… NSGB und Kommunalaufsicht eingeschaltet habe“.
Der Nachsatz in der Mail lässt erahnen, worum es hier wohl tatsächlich ging:
„Wir werden über die Auswirkungen berichten, die aus meiner Sicht in einem sehr engen Zusammenhang mit der Eingabe Koch und vor allem mit den Aussagen des Ratsmitgliedes Schimmack zum Bürgerentscheid stehen. Nach Abschluss der rechtlichen Prüfung werden wir berichten.“
In einer weiteren Mail an Ratsherrn Schimmack, fordert er ihn dazu auf, unverzüglich und schriftlich seine „Zustellsituation“ zu erklären – nicht ohne den Hinweis: „Da Ihre Situation mustergültig zur Eingabe von Herrn Koch zum Bürgerentscheid passt, wird diese Situation sicherlich auch bei dem laufenden Verfahren zugezogen werden.“ (Schimmack hat allerdings seine Wahlbenachrichtigung ordnungsgemäß in seinem „aktiven“ Briefkasten vorgefunden.)
Götz Schimmack ist verärgert: „Als Ratsherr bin ich von Bürgern auf nicht zugestellte Wahlscheine angesprochen worden und dem nachgegangen. Die Beschwerden der betroffenen Bürger in Hösseringen wurden sogar durch den Wahlausschuss schriftlich festgehalten.
Ich habe im Bau- und Wegeausschuss darüber informiert und im Rat die Frage gestellt, was in der Angelegenheit unternommen wurde. Das alles gehört zu meinen Aufgaben als Ratsherr, als Vertreter der Bürger.
Herr Koch hat sich im Rahmen seiner eigenen Recherchen an mich gewandt. Ich konnte ihm aber nicht mehr sagen, als schon öffentlich bekannt war.
Das Verhalten von Herrn Lilje ist ehrabschneidend, unglaublich dreist und strafbar: Seitdem ich im Rat bin, habe ich meinen Schriftverkehr immer per Briefpost erhalten, weil ich dem Ratsinformationssystem nicht traue. Dabei hat es nie ein Problem mit der Post gegeben und ich habe immer alles pünktlich erhalten.
Ich besitze einen individuellen Postkasten, regengeschützt unter dem Dachüberhang meines Büros. Der ist von der Post anerkannt und wird bedient. Manche Leute haben hier auf dem Land eben eine alte Milchkanne als Briefkasten – das ist nicht ungewöhnlich und wird von der Post akzeptiert.
Genaugenommen hat Herr Lilje an diesem Tag einen Hausfriedensbruch begangen. Niemand hat das Recht sich auf ein privates Grundstück zu begeben und sich dort umzusehen.
Er hätte auch einfach nur an der Haustür klingeln brauchen und mir die Post persönlich aushändigen können – ich war zuhause und mein Auto stand, für jedermann sichtbar, auf dem Hof.“
Andreas Paschko
Titelfoto: Fotomontage