Y-Trasse

Nein, dies wird kein Beitrag zum Für und Wider der Y-Trasse, auch nicht ein bewertender Vergleich der zahlreichen oder besser gesagt zahllosen Varianten. Vielmehr soll hier auf zwei Phänomene hingewiesen werden, die bei (fast) allen Großprojekten (unabhängig ob Verkehrsinfrastruktur, Opernhäuser oder Stromtrassen) auftreten: Zum einen das Auseinanderfallen zwischen denjenigen, die von Großprojekten profitieren und denjenigen, die dafür die Kosten zu tragen haben. Zum anderen, dass selbst diejenigen, die am meisten davon profitieren, die Kosten nicht direkt tragen wollen. Ein Phänomen, das als Not In My Back Yard oder auch als Sankt-Florians-Prinzip bekannt ist.

Die Y-Trasse soll, egal in welcher Variante, die zunehmenden Hinterlandverkehre des Hamburger Hafens bewältigen. Güter sollen schneller den Weg zu den Absatzmärkten im Süden Deutschlands und in Südeuropa finden. Angestrebtes und geradezu zum politischen Mantra erhobenes Wirtschaftswachstum bedeutet mehr Verkehr. Eine unzureichende Verkehrsinfrastruktur gilt als Wachstumshemmnis und ist daher auszubauen. Über Alternativen wird bei der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans, auf dem alle folgenden Planungen beruhen, nicht diskutiert. Die mit der Zunahme der Verkehre einhergehenden Beeinträchtigungen, wie bspw. Lärm, Zerschneidung der Landschaft, Zerstörung von Ökotopen oder Wertverluste von Immobilien sind dabei sozusagen als „Kollateralschäden“ hinzunehmen. Dies wäre dann unproblematisch, wenn Nutzen wie Kosten (Beeinträchtigungen) auf alle Betroffenen (annähernd) gleich verteilt wären. Dies ist aber meist nicht der Fall. Durch die Lüneburger Heide rollende (Container-) Züge werden regionalwirtschaftlich keine bzw. nur geringe (wenn, dann in der Bauzeit der Schienentrassen) Effekte auslösen. Gewerbeansiedlungen sind nicht zu erwarten. Ob die positiven Effekte auf Hamburg bis in die (südliche) Lüneburger Heide ausstrahlen, ist fraglich. Es ist also eine Ungleichverteilung von Nutzen und Kosten zu Lasten der (südlichen) Lüneburger Heide zu erwarten.

Ein ähnliches Phänomen lässt sich auf kleinerer räumlicher Ebene beobachten: Kaum jemand ist bereit, zugunsten eines (volks-) wirtschaftlichen Nutzens störende Infrastruktur (z. B. Flughäfen, Strom- und Bahntrassen) in seinem „Hinterhof“ zu dulden, vielmehr soll der „Nachbar“ die Lasten tragen. Aufgrund des komplexen deutschen Planungsrechts dauert es folglich meist Jahrzehnte bis zum Baubeginn. Bis dahin haben sich aber häufig die Rahmenbedingungen so verändert, dass Planungen und Notwendigkeiten nicht mehr übereinstimmen, also „unnötige“ Infrastruktur gebaut wird.

Im April diesen Jahres hat die Bundesregierung den Bürgerdialog „Gut Leben in Deutschland“ gestartet, um herauszufinden, was Lebensqualität für die Menschen in Deutschland bedeutet. Ohne den Ergebnisse vorzugreifen, dürften Ungleichverteilung von Nutzen und Kosten für Wirtschaftswachstum und Güterzüge vor der eigenen Haustüre nicht dazu gehören…

Vormerken: 19.11.2015

„Studium unter der Lupe“, Ostfalia Hochschule in Suderburg

Die Kolumne von Prof. Dr. Arnd Jenne, zuständig für Handelsmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Suderburg berichtet über aktuelle Projekte aus Handel und Logistik.

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