„Nichts! Es passiert nichts! Reinweg garnichts…“ empört sich ein Landwirt in Suderburg. Die Vorwürfe sind schwerwiegend, denn er und zwei Berufskollegen haben nach eigenen Angaben bereits drei Anzeigen ans Kreisveterinäramt in Uelzen gemacht. Der Vorwurf: ein Nebenerwerbslandwirt im Ort vernachlässigt seine Herde Freilandkühe.
Die Kühe stehen auf einer abgegrasten Wiese, laufen zwischen alten Geräten und Gerümpel, die Zäune sind nicht in Ordnung. „Bei denen kannst du jede Rippe sehen, die haben teilweise keine Ohrmarken, ein Kalb ist völlig klapperig…“
Vor einigen Wochen wurde ein Kalb an einem Samstag halbtot auf einem Ende der Wiese aufgefunden. Dieses Wiesenstück ist nass, mit Binsen bewachsen und mit Resten gefällter Bäume übersät.
Die alarmierte Polizei erschien gegen 19.00 Uhr zu dritt, fotografierten alles, stellte Fragen und informierte das Kreisveterinäramt.
Im fast Dunklen wurde das Tier später vom Besitzer im Frontlader auf den Hof geholt. Dort lag es bis zum Wochenanfang. Ein Augenzeuge, der sich am Wochenende Zutritt zur Hofstelle beschaffte und unbeobachtet zum Kalb ging, um sich einen Eindruck über dessen Zustand zu machen, berichtet: „Es hat sich nicht mehr gerührt. Lediglich am Klappen der Augenlider konnte man sehen, dass es noch lebte“.
Das Veterinäramt kontrollierte das Tier dann am Anfang der Woche. Eingeschläfert wurde es aber nicht, sondern verendete alleine, so ein weiterer Zeuge.
Der Besitzer soll zu dem Vorfall erklärt haben, dass das Kalb im Morast stecken geblieben sei und versucht habe, sich bis zur Entkräftung daraus zu befreien. Der Auffinder des Tieres ist da anderer Meinung: „Das lag da vollkommen frei“. Die Wiese sei in dem Bereich zwar feucht, aber da es längere Zeit nicht geregnet hatte, war die Fläche zu dem Zeitpunkt nicht sumpfig. Er vermutet dass das Tier auf der Suche nach Futter regelrecht verhungert sei, da die Wiese vollkommen abgegrast war.
In der am Donnerstag erschienenen Ausgabe der ZEITUNG erschien zu diesem Thema ein Leserbrief. Am selben Tag wurden der Redaktion zwei Fotos (Titelbild und Foto links) übermittelt, die einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vermuten lassen: Sie zeigen eine Kuh, die in einem (improvisierten?) Stall mit einer entsprechenden Vorrichtung festgehalten wird, mit einem Wassereimer (im Vordergrund) den sie nicht erreichen kann und scheinbar auch ohne Futter. Sie steht ohne Einstreu im Mist, der sich zusätzlich im Hintergrund häuft. Das Tier befindet sich offensichtlich in einem erbärmlichen Zustand.
Freitag: Bei einem Anruf beim Kreisveterinäramt Uelzen werden wir an dessen Leiter Dr. Pfeiffer verwiesen und aufgefordert, ihm eine eMail in der Sache zu schicken. Das geschieht kurz vor 10.00 Uhr – mit den Fotos, dem Leserbrief, einigen Fragen zur Angelegenheit, der Bitte um kurzfristige Stellungnahme und einem Hinweis auf die Veröffentlichung.
Bis 18.00 Uhr geschieht – nichts!
Deshalb jetzt ein Anruf bei der Einsatzzentrale der Feuerwehr in Uelzen. Die ist zuständig wenn das Veterinäramt nicht besetzt ist.
Der freundliche Herr am Ende der Leitung ist etwas irritiert: „sowas hatten wir hier noch nicht“. Er verspricht sich zu kümmern und einen Rückruf.
Nach einer halben Stunde „Nichts“ eine erneute Anfrage. Wieder der freundliche Herr: er habe bereits einige Telefonate versucht – leider vergeblich. Zwischenzeitlich erfordert ein Brand in Wrestedt seine Aufmerksamkeit und das geht selbstverständlich vor. Er will dran bleiben.
Viertel vor sieben: Rückruf des stellvertretenden Ordnungsamtsleiters des Kreises. Er zeigt Verständnis und guten Willen, ist aber eigentlich der falsche Ansprechpartner und empfiehlt die Polizei. Nur die kann jetzt kurzfristig noch etwas machen.
Die örtlichen Beamten sind schnell zur Stelle, hören sich die Sache an und fahren los. Sie nehmen das Tier und dessen Umgebung in Augenschein.
Inzwischen steht es auf Einstreu und Futter ist vorhanden. Auch sieht es auf dem Foto dramatischer aus als in Wirklichkeit, aber eben auch nicht gut. Sie erreichen Dr. Pfeiffer, der verspricht, am Folgetag das Tier zu begutachten.
Es deutet sich an, das aufgrund der verschiedenen Anzeigen und Verstöße – und mit dieser Angelegenheit obendrauf, die Herde aufgelöst werden soll. Am kommenden Montag soll es dazu eine offizielle Pressemitteilung geben.
Samstag: Dr. Pfeiffer hält Wort.
Die Mühlen der Bürokratie mahlen manchmal langsam, vielleicht ist das der Grund für die lange Zeit der scheinbaren Untätigkeit des Amtes.Vielleicht mahlen sie besonders gründlich.
Vielleicht gibt es aber auch noch einen ganz anderen Grund. „Das Kreisverterinäramt hätte eigentlich schon nach dem ersten Vorfall tätig werden müssen“, so die Aussage eines kompetenten Mitarbeiters der Landwirtschaftskammer. „Nur dann hätte der Landkreis die Tiere auf seine Kosten irgendwo unterbringen müssen – und die Kassen sind bekanntlich leer. Und deshalb passiert nichts…“
Querverweis:
Stellungnahme des Landkreis Uelzen
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Nachtrag vom 12.9.2013
Wie das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt gerade mitteilte, wurde der entsprechende Tierbestand am 11.9. durch den Besitzer aufgelöst. Die insgesamt sechs Rinder und zwei Kälber wurden gestern durch ein Vieh-Vermarktungsunternehmen abtransportiert und werden jetzt entsprechend weitervermarktet.
Behörden reagieren auf solche Vorfälle garnicht oder nur wenn sie unter ständigem öffentlichen Druck stehen.
Hier gibt es genügend Beispiele.