„Nach meiner unmaßgeblichen Meinung findet hier eine Umweltsauerei statt…“. Das meinte ein Mitglied eines Umweltverbandes zu dem mutmaßlichen Betrug an Naturschutz und dazugehöriger Gesetzgebung, auf den DIE ZEITUNG gestoßen ist.
Der Gerdauer Bauausschuss hatte am 16.10.2014 beschlossen, ein Wegeteilstück in der Gemarkung Holthusen an das Land Niedersachsen zu verkaufen. Diese 1.775 m² sollen als „Aufwertungsfähige Fläche” für eine naturschutzfachliche Kompensation im Rahmen einer weiteren Bebauung auf dem Flugplatz Barnsen dienen. Gebaut werden sollen weitere Flugzeughallen. Finanzieren wird den B-Plan der Landkreis Uelzen, der mit der Stadt Uelzen Eigentümer des Flugplatzes ist und schon lange ein großes Interesse an einer Erweiterung hat. Die Gemeinde Gerdau ist für die Planung zuständig, der Landkreis im weiteren Verfahren involviert.
Bei derartigen Eingriffen in die Landschaft sieht der Gesetzgeber verpflichtend Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz vor. In diesem Fall musste eine Ausgleichsfläche gefunden werden. Dabei musste es sich um eine „Aufwertungsfähige Ausgleichsfläche“ handeln.
[toggle state=“open“ title=“Rechtliche Aspekte I“]
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bestehen aus Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 19 Abs. 2 BNatSchG). Maßgeblich für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen ist ihr funktionaler Zusammenhang zum konkreten Eingriff. Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen müssen zudem eine ökologische Aufwertung der Flächen erbringen, auf denen sie durchgeführt werden.
Die Flächen müssen also in ihrem aktuellen Zustand aus ökologischer Sicht aufwertbar, d.h., für künftige Kompensationsmaßnahmen überhaupt geeignet sein: „Für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kommen nur solche Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und -fähig sind. Diese Voraussetzung erfüllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen lässt.“ Quelle: siehe Textende.
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„Aufwertungsfähige Flächen“ sind also im Extremfall ehemalige Kiesgruben, oder Bereiche, die vernachlässigt oder aufgrund der Boden- oder Umweltverhältnisse mangelhaft bewachsen oder mit minderem Wuchs bedeckt sind. Sie müssen rekultiviert und in natürliche Flächen umgewandelt werden. Die Auflagen sind teilweise erheblich und der Gesetzgeber läßt dazu mehrere Möglichkeiten offen.
Anlässlich der Berichterstattung zur Bauausschusssitzung in Bargfeld, hat DIE ZEITUNG den zum Verkauf anstehenden Weg in der Gemarkung Holthusen II (Bezeichnung Lahgehege/Birkenbusch) gesucht, gefunden – und nicht schlecht gestaunt. Es ist ein leicht versteckt liegender Weg, der durch einen traumhaft schönen, alten Buchenbestand führt. Eine schönere, naturbelassenere Ecke wird man in unserer Region lange suchen müssen. Insofern stellte sich sofort die Frage: Was an diesem Waldweg ist „Aufwertungsfähig“? Absolut nichts.
Also was soll das?
[toggle state=“open“ title=“Rechtliche Aspekte II“]
Würden nicht aufwertungsfähige Flächen zu Kompensationsflächen bestimmt werden, so würde in der ökologischen Gesamtbilanz eine Wiedergutmachung unterbleiben. Es würde für die Wiederherstellung der durch den Eingriff gestörten Funktionen kein neuer Lebensraum erschlossen. „Grund und Boden, dessen ökologischer Wert ebenso hoch oder gar höher zu veranschlagen ist als derjenige, der zur Verwirklichung eines raumbedeutsamen Vorhabens in Anspruch genommen wird, ist aus dem Kreis der für die Durchführung von Kompensationsmaßnahmen potentiell geeigneten Flächen von vornherein auszusondern.“ Quelle: siehe Textende.
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Dieser Weg hätte also von vornherein als Ausgleichsfläche nicht angeboten werden dürfen. Warum er das wurde, wer ihn ins Spiel brachte und welche Interessen dahinter stehen, bleibt vorerst unklar.
Auf der Ausschussitzung wurde bekannt gemacht, dass beim Verkauf ein Wegerecht für einen Landwirt eingetragen werden soll. Er benötige den Weg für die „Hinternutzung“ des hinter dem Wäldchen liegenden Ackers.
Dabei ist der auch bequem von dem neben dem Waldstück verlaufenden Hauptweg erreichbar…
Eine weitere Befahrung würde eine eventuelle Bepflanzung oder Umgestaltung des Waldweges von vornherein völlig sinnlos machen, ein zusätzlicher Aspekt, warum er als Ausgleichsfläche völlig ungeeignet ist.
Nur ein Teil der Ausschussmitglieder dürfte den Weg überhaupt kennen, aber alle haben scheinbar blind denjenigen vertraut, die ihn als Ausgleichsfläche vorgeschlagen haben. Alle haben der Empfehlung zum Verkauf zugestimmt.
Eine Begehung durch den Ausschuss hat vor der Sitzung nicht stattgefunden, zumindestens dass ließ sich inzwischen feststellen. Ein schweres Versäumnis.
Gerdaus neuer Bürgermeister, Volker Schulz (ebenfalls Ausschussmitglied), bleibt in der Sache lieber in Deckung: Eine offizielle Anfrage vom 21.10.2014 ist bis heute unbeantwortet.
Darin hatten wir ihm sieben relativ einfache Fragen gestellt:
1. Wer ist Besitzer des Waldstückes?
2. Ist nachvollziehbar, wann der Waldweg angelegt wurde?
3. Seit wann ist die Gemeinde Gerdau Besitzerin des Waldweges – und wann wurde er ggf. gewidmet?
4. Weiterhin ergibt sich die Frage, woher eine „Hinternutzung“ für ein Wegerecht abgeleitet wird.
5. Sind die Wege vor der Bauausschusssitzung vom Bauausschuss besichtigt worden?
6. Wer von den Bauausschussmitgliedern war ggf. bei der Besichtigung anwesend?
7. Wodurch wird dieser Waldweg nach Ihrer Meinung zu einer „Aufwertungsfähigen Fläche“?
Das Protokoll der Ausschusssitzung mit den entsprechenden Beschlüssen ist bis heute nicht im Rats- und Informationssystem veröffentlicht. Dagegen ist eine Karte (zur Lage des Weges) dort aus den Anlagen verschwunden. Inzwischen hat der Verwaltungsausschuss über die Empfehlung zum Verkauf bereits getagt. Nichtöffentlich. Darüber gibt es natürlich auch keine Informationen.
Landkreis-Baudezernent Peters scheint in der Angelegenheit fein raus zu sein – auch wenn er über das Wegerecht hätte stolpern müssen. Er hatte das Projekt ‚Flugzeughallen auf dem Flugplatz Barnsen‘ auf der Ausschussitzung vorgestellt und Fragen beantwortet. Dabei erwähnte er, dass er den Weg in Holthusen natürlich nicht persönlich kenne, aber dem Ausschuss vertraue. Das war nach Lage der Dinge zumindestens grob fahrlässig…
ap
Quelle „Rechtliche Aspekte“: Rechtliche Stellungnahme zu den Möglichkeiten der Etablierung extensiver Landnutzungsstrategien als Eingriffskompensation erstattet im Auftrag des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der FH Trier, Umwelt-Campus Birkenfeld, im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) sowie der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), Seite 14/15
Sicher ein Versäumnis, dass sich die Ratsmitglieder per Ortsbesichtigung kein Bild der auserkorenen Fläche gemacht haben.
Aber wenn es eine Fläche ist, die gar nicht weiter aufgewertet werden kann, muss dies nicht vom LK – ich denke die UNB ist wohl in solchen Dingen beteiligt – eine Absage kommen? Die Fläche darf nicht als Ausgleich genommen werden, da sie nicht weiter aufzuwerten scheint. Rechtliche Grundlagen!? Wo genau ist die „Aufwertbarkeit“ definiert!? Wenn die Grundlage zur Aufwertbarkeit fehlt, ist dann dieser Beschluss nicht von vornherein ungültig, mindestens aber rechtlich bedenklich!?
Da die Besitzverhältnisse und die Frage der Widmung der zum Verkauf kommenden Waldwegstücke mehr im Nebel als klar zu erkennen sind, stellt sich doch die Frage, ob sowohl Beschlussfassung als auch mögliche Zustimmung im Verwaltungsausschuss der Gemeinde überhaupt rechtmäßig waren? Müsste nicht vielmehr alles daran gesetzt werden, eine Rückabwicklung durchzuführen, damit der Vorgang ohne den Geruch einer Vorteilsgewährung zu einem sauberen Ende geführt wird?
Das ist schon ein starkes Stück und sieht ganz danach aus, dass man sich gegenseitig in die Karten spielt: Der LK findet offensichtlich in Barnsen keinen Grundeigentümer, der Land als Ausgleichsfläche verkauft. Die Gerdauer, so hat es der BM ausgedrückt, kommen dem Kreis entgegen und erhalten im Gegenzug Wohlwollen, „Geschäfte“ also auf Gegenseitigkeit, nur dabei kommt die Natur unter die Räder. Aber wen in den kommunalen Behörden inkl. des Kreises interessiert das eigentlich, wenn man auf diese Weise zu einem geordneten Bau von Flugzeughallen kommen kann?
Absolut sträflich wäre auch, wenn sich überhaupt niemand der Ratsmitglieder die Mühe gemacht hätte, sich vor Ort die Gegebenheiten anzuschauen. Erneut kann der kritische Beobachter nur feststellen, dass man in die Politik einfach kein Vertrauen setzen kann, denn sie verfolgt auch im Kleinen ausschließlich die Interessen ihrer Klientel und die Umwelt geht den Bach runter.
Wäre es nicht auch an der Kommunalaufsicht, das Verhalten der Gemeinde zu überprüfen, ob sie sich überhaupt nach Recht und Gesetz verhalten hat?
Vorlagen werden vom Bürgermeister / Gemeindedirektor, also der Verwaltung erstellt. Von niemand anderem. Das ist in der Gemeinde Gerdau nur eine ganz bestimmte Person. Der hoch gehaltenen Selbstverwaltung sei Dank.
Wahrlich ein guter Start für den neuen Bürgermeister. War es doch seine erste Vorlage überhaupt.
Das dieselbe Person, als ordentliches Ausschussmitglied, bereits im Ausschuss über seine eigene Vorlage mit dem persönlich formulierten Beschlussvorschlag entscheidet, lässt einen schon ins Grübeln kommen.