Über die Werte zum herzlichen „Willkommen“

Freiheit bedeutet immer auch die Freiheit des Anderen. Dieses etwas abgewandelte Zitat fiel mir nach einer Diskussion am Feuerkorb ein. Der brannte an den letzten beiden Samstagen bis spät in die Nacht im Garten. Gemeinsam mit einigen syrischen Flüchtlingen und Helfern aus der Willkommens-Gruppe haben wir dort zwei richtig schöne Abende verbracht – einen sogar mit spontaner Livemusik mit Gitarre und Keyboard.

Und ja richtig, inzwischen diskutieren wir kräftig mit den Syrern. Kein Thema wird ausgespart. Es ist spannend, sich ihre Sicht auf die verschiedensten Dinge erklären zu lassen und es ist erstaunlich, dass sich diese Sicht in den meisten Fällen mit unseren eigenen deckt.

Dabei bilden die hier derzeit im Haus lebenden vier einen Querschnitt des Großteils der ursprünglich in Syrien lebenden Gesellschaft ab – zumindestens was die Glaubensfragen anbetrifft. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass es in Syrien 18 Glaubensrichtungen gibt…

Wir haben hier einen Moslem (eher „light“ und sehr weltoffen), eine ehemalige Muslima, (ehemalige „Kopftuchträgerin“ mit vielen negativen Erfahrungen und deshalb jetzt nach eigener Aussage Atheistin), einen Agnostiker (das ist jemand der die Möglichkeit der Existenz von Gott, Allah etc. nicht bestreitet aber nicht an sie glaubt) und eine junge, eher neutrale Frau, aufgewachsen in einer muslimischen Gesellschaft, (mit der Freiheit, die Entscheidung, dass „Kopftuch“ nicht zu tragen, selbst zu fällen).

Was im Repertoire fehlt, ist ein muslimischer „Hardliner“, aber der fehlt uns nicht wirklich…

Am letzten Samstag brachten alle vier auf verschiedene Weisen zum Ausdruck, wie sehr sie die Freiheit in Deutschland bewundern und wie wohl sie sich in dieser Demokratie fühlen, die sie sich für ihr Land immer gewünscht haben.
Danach ging es darum, was Freiheit bedeutet, dass Freiheit manchmal bedeutet einiges auszuhalten, und dass man sie trotzdem (oder gerade deshalb) jederzeit verteidigen muss. Damit waren wir dann (als Beispiel dienend) ziemlich schnell bei Charlie Hebdos teilweise grenzwertigen Karikaturen, dem Umgang mit ihnen und die Morde dazu in diesem Jahr in Frankreich.

Damit war es mit der schönen Einigkeit vorbei.
Nichts Ungewöhnliches bei diesem Thema, auch in rein deutschen Runden gehen die Meinungen dazu weit auseinander.

Auffällig war eine fundamentale Ablehnung, nicht weil die Zeichnungen vielleicht geschmacklos sind, sondern weil es sich bei dem Karikierten um Mohammed handelte. Da wurde Respekt eingefordert, ein no go signalisiert, trotz Atheismus und vorheriger Ablehnung des Korans aus konkreten Gründen. Lediglich der Agnostiker war anderer Meinung und bekam dafür „den Kopf gewaschen“.

Your faith is privacy… (dein Glaube ist Privatsache), dafür haben sie in ihrer Heimat gekämpft, sich vieler Repressalien ausgesetzt und Bomben auf den Kopf bekommen. Dafür mussten sie eine Menge aushalten.

Nun leben sie in einem Land, in dem der Glaube tatsächlich Privatsache ist und jeder andere Glaube oder Nichtglaube toleriert wird. „Freiheit bedeutet immer auch die Freiheit des Anderen“, dieses Prinzip wird von ihnen akzeptiert und grundsätzlich für gut befunden. Es soll allerdings keine Gültigkeit mehr haben, wenn Mohammed ins Spiel kommt. Und das geht garnicht!
Das jedenfalls mussten sie an diesem Abend erfahren. Niemand hat das Recht sich (oder etwas) über unser Grundgesetz zu stellen, wenn er in Deutschland leben will. Jeder ist willkommen, solange er das akzeptiert und verinnerlicht. Und wir müssen darauf aufpassen und unsere Werte verteidigen.

Jedem muß klar sein, dass unsere Willkommenskultur untrennbar mit unseren Werten verbunden ist und in der Willkommenskultur sollte eine Wertediskussion aktiv geführt werden. Jede passende Gelegenheit sollten wir für Gespräche und Diskussionen nutzen und dabei keinem Thema ausweichen. Es lohnt sich und ist alternativlos, denn Schweigen bedeutet Schwäche und weicht unsere Werte auf.

Die geschilderte Episode hat den Abend am Feuerkorb nicht nachhaltig gestört. Alle Beteiligten waren über den jeweils anderen ein bisschen erschrocken. Bei diesem Thema prallten Welten aufeinander und niemand hatte in diesem Moment damit gerechnet.

Aber gerade deshalb: Die lang ersehnte Freiheit können die Flüchtlinge hier in Deutschland (er)leben. Dass zu ihr eine Menge Toleranz gehört, wahrscheinlich mehr als sich manche von Ihnen vorstellen können, das müssen sie noch lernen. Deutschland, und mit ihm wir, sind in diesem Fall „die Guten“ – für viele von uns eine ziemlich neue Erfahrung.

Und gerade deshalb, damit das so bleibt, müssen wir neben einem toleranten Miteinander auch Diskussionen und Streitgespräche anbieten. Denn unsere Haltung begreifen lernen, können sie am schnellsten durch uns.

Wer die auf Dauer nicht akzeptieren kann, oder will, der ist hier falsch. Auch das müssen sie verstehen lernen.

Feuerkorb

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