Schöffen“theater“, oder menschen ist irrlich…???

Redakteu50pxDie Wahlen der Schöffinnen und Schöffen finden alle fünf Jahre statt. 2013 ist so ein Jahr, das Verfahren für die Wahlen ist in vollem Gange. Zuständig für die Aufstellung und Einreichung der Vorschlagslisten für die Wahl ist bei uns die Samtgemeinde. Das Landgericht Lüneburg hat die Anzahl der vorzuschlagenden Personen dem Amtsgericht Uelzen mitgeteilt. Dieses wiederum übermittelte die Anzahl an die Samtgemeinde Suderburg, die dann per Aushang um Bewerber/innen warb.

Bis zum 1. Juni müssen nun die Vorschlagslisten aufgestellt werden. Dazu prüft die Verwaltung, ob die Bewerber noch im Bezirk der Behörde wohnen oder ob Gründe vorliegen, die einer Aufnahme in die Vorschlagsliste entgegenstehen, oder ob es Gründe gibt, die sie für das Schöffenamt ungeeignet erscheinen lassen. Dazu gibt es Richtlinien und Paragraphen:

§_36 GVG (F) [ Vorschlagsliste ]

(1) 1 Die Gemeinde stellt in jedem fünften Jahr eine Vorschlagsliste für Schöffen auf.
2 Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Gemeindevertretung, mindestens jedoch der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung erforderlich.
3 Die jeweiligen Regelungen zur Beschlussfassung der Gemeindevertretung bleiben unberührt.

(2) 1Die Vorschlagsliste soll alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen.
2Sie muß Geburtsnamen, Familiennamen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Beruf der vorgeschlagenen Personen enthalten.

(3) 1 Die Vorschlagsliste ist in der Gemeinde eine Woche lang zu jedermanns Einsicht aufzulegen.
2 Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen.

(4) 1 In die Vorschlagslisten des Bezirks des Amtsgerichts sind mindestens doppelt so viele Personen aufzunehmen, wie als erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfsschöffen nach § 43 bestimmt sind.
2 Die Verteilung auf die Gemeinden des Bezirks erfolgt durch den Präsidenten des Landgerichts (Präsidenten des Amtsgerichts) in Anlehnung an die Einwohnerzahl der Gemeinden.

Die Samtgemeinde benachrichtigt dann die Personen, die in die Vorschlagsliste aufgenommen werden sollen und hängt die Listen nach der Aufstellung eine Woche lang aus. Zeit, Ort und Dauer der Auslegung müssen vorher öffentlich bekannt gemacht werden, damit jedermann sein Recht wahrnehmen kann, einen begründeten Einspruch gegen eine oder mehrere Personen auf der Liste einzulegen.

Danach geht die Liste (neben evtl. Einsprüchen) zum Schöffenwahlausschuss des Amtsgerichts, der/das dann im vorgegebenen Rahmen prüft, ggf. korrigiert und entscheidet und später die erforderliche Anzahl der Schöffen wählt. Bei der Wahl wird dann darauf geachtet, dass alle Gruppen der Bevölkerung angemessen berücksichtigt werden.
Außerdem übermittelt das Gericht die Namen und Daten der gewählten Schöffinnen und Schöffen sowie der Hilfsschöffinnen und Hilfsschöffen den vorschlagsberechtigten Behörden, durch die die Personen vorgeschlagen wurden, damit diese diejenigen Personen, die nicht gewählt worden sind, informieren können.

Soweit im Groben zum Procedere des Verfahrens (Die Fakten sind entnommen, zusammengefaßt und nachzulesen z.B. unter http://www.recht-niedersachsen.de).

Was ist nun eigentlich passiert, das soviel Unruhe und Streit im Rat zum Thema entsteht?

Entgegen dem Trend hat es bei uns überraschend viele Bewerbungen aus der Bevölkerung gegeben. 17 Bewerberinnen und Bewerber haben fristgerecht ihre Bewerbung eingereicht, zwei davon sind Ratsmitglieder: Wilhelm Schröder, CDU und Hans-Jürgen Drögemüller, SPD.

Die Verwaltung hat aus den Bewerbungen fünf Personen ausgewählt und dem Rat (Samtgemeindeausschuss) zur Entscheidung vorgelegt:

Der Samtgemeindeausschuss schlägt dem Samtgemeinderat folgende Beschlussfassung vor:

Der Samtgemeinderat beschließt, in die Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 folgende Personen aufzunehmen:
1. Friedrich Kaune, Gerdau, OT Bohlsen, Am Silberberg 2

2. Claudio Murru, Suderburg, Hauptstr. 27
3. Monika Peel, Eimke, OT Wichtenbeck, Kiehnmoorweg 8
4. Kurt Wiedenhoff, Eimke, Salzwedeler Str. 4
5. Christina Wulschläger, Suderburg, Lönsweg 15

Diese Liste wurde dann auch sofort – ohne Beschluss – im Internet veröffentlicht.

In dem AUSZUG aus dem Protokoll der darufhin folgenden nichtöffentliche 19. Sitzung des Samtgemeindeausschusses vom 09.04.2013, „Aufstellung einer Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018″ heißt es dann:

Beschluss:
Der Samtgemeindeausschuss schlägt dem Samtgemeinderat folgende Beschlussfassung vor:

Der Samtgemeinderat beschließt, in die Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 folgende Personen aufzunehmen:

1. Monika Peel, Eimke, OT Wichtenbeck, Kiehnmoorweg 8
2. Christina Wulschläger, Suderburg, Lönsweg 15
3. Hans-Jürgen Drögemüller, Suderburg, OT Böddenstedt, Mühlenstr. 14
4. Wilhelm Schröder, Gerdau, OT Bohlsen, Am Silberberg 15
5. Renate Braun, Suderburg, OT Hösseringen, Meyerstr. 2
Das Abstimmungsergebnis dazu: 3 Ja-Stimmen, 2 Nein-Stimmen, 1 Stimmenthaltung

Von fünf Vorschlägen wurden also drei ausgetauscht, nur zwei (blau) blieben.

Die Entscheidung des SG-Ausschuss wurde dann dem Samtgemeinderat zur endgültigen Entscheidung auf der Samtgemeinderatssitzung am 22.4.2013 vorgelegt. Allerdings, und das war bemerkenswert, im Anhang für die Ratsmitglieder befand sich die erste (obig grün gekennzeichneten) Liste.

Die neue wurde später zwar von der Verwaltung nachgereicht, aber nicht fristgerecht, wie Manfred Mikulla (SPD) monierte. Unterstützt wurde er von Wilhelm Schröder (CDU), der dazu die „Ausreden“ von Friedhelm Schulz nicht gelten lassen wollte. „Die Kritik von Mikulla ist berechtigt, die falsche Liste ist rausgegangen“, so Schröder. Er selber habe drei Mal bei der Verwaltung angerufen, bis die neue Liste rausgegangen sei, also: „es wird hier zu Recht kritisiert“.

Hans-Hermann Hoff (GRÜNE) äußerte sich begeistert über das öffentliche Interesse. Und er hielt es für unglücklich, erst fünf Bürger (öffentlich) vorzuschlagen und dann durch zwei Ratsmitglieder auszutauschen. Die GRÜNEN würden die neue Liste deshalb nicht unterstützen.

Auch Dierk Pellnath, WSL, kündigte an, dass die WSL den neuen Vorschlag nicht zustimmt. „Die alte Liste war in Ordnung“ und würde „der Bevölkerung zeigen ‚Wir wollen euch haben'“. Er findet das Verhalten der CDU und SPD befremdlich, aber „das geht nicht gegen die beiden Ratsherren“.
Die WSL stelle den Antrag, über die erste Liste, den Verwaltungsvorschlag, abzustimmen.

Wolfgang Hahnemann ermahnte: „Ratsherren sind nicht Bürger 2. Klasse“ und wurde unterstützt von Wilhelm Schröder: „Wir grenzen niemanden aus“.

Nun wurde über die Liste des Verwaltungsausschuss abgestimmt: 10 dafür, 6 dagegen.

Der Beschluss lautet nun (und so steht es auch im öffentlichen Protokoll über die 9. Sitzung des Samtgemeinderates vom 22.4.2013):

Der Samtgemeinderat beschließt, in die Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen für die Geschäftsjahre
2014 bis 2018 folgende Personen aufzunehmen:
1. Monika Peel, Eimke, OT Wichtenbeck, Kiehnmoorweg 8
2. Christina Wulschläger, Suderburg, Lönsweg 15
3. Hans-Jürgen Drögemüller, Suderburg OT Böddenstedt, Mühlenstraße 14
4. Wilhelm Schröder, Gerdau OT Bohlsen, Am Silberberg 15
5. Renate Braun, Suderburg OT Hösseringen, Meyerstraße 2
Abstimmungsergebnis: 10 Ja-Stimmen, 6 Nein-Stimmen

Gleichzeitig steht dort aber auch:

Nunmehr lässt Ratsvorsitzender Udo Depner über den Vorschlag der Verwaltung abstimmen.
Der Samtgemeinderat beschließt, in die Vorschlagsliste zur Wahl der Schöffen für die Geschäftsjahre
2014 – 2018 folgende Personen aufzunehmen:
1. Friedrich Kaune, Gerdau OT Bohlsen, Am Silberberg 2
2. Claudio Murru, Suderburg, Hauptstraße 27
3. Monika Peel, Eimke, OT Wichtenbeck, Kiehnmoorweg 8
4. Kurt Wiedenhoff, Eimke, Salzwedeler Straße 4
5. Christina Wulschläger, Suderburg, Lönsweg 15
Abstimmungsergebnis: 6 Ja-Stimmen, 10 Nein-Stimmen

Ja was denn nun???

Die Rechnung ohne den Wirt…

Irgendwie scheint bei dieser Abstimmung niemand so richtig mitgerechnet zu haben: Bei 16 Stimberechtigten ergeben 2/3 nämlich 10,667. Aufgerundet also 11 Stimmen, die für eine Mehrheit nötig gewesen wären. Der zweite Teil des § 36 ((1)2) gibt (in diesem Teil verschwurbelt) zwar erstmal Rätsel auf, sollte einer gut vorbereiteten Verwaltung aber keine Probleme bereiten.

Amateurhaftigkeit könnte man unserer Verwaltung unterstellen, weil ihr erst einen Tag nach der Sitzung auffiel, dass es keinen Beschluss gibt, weil eine 2/3-Mehrheit fehlt – und erst recht keinen Doppelbeschluss.
Die Quittung dafür: Dieser Teil der Sitzung muß noch einmal stattfinden. (Am 6. Mai 2013)

Grundsätzlich begrüßen den Vorschlag der Verwaltung, nur „normale“ Bürger auf die Liste zu setzen, viele. Ratsmitglieder sind zwar auch „normale Bürger“, viele klagen aber über eine hohe zeitliche Belastung.
Wie paßt da noch eine Zusatzbelastung durchs Schöffenamt?

Wie sagte Dierk Pellnath es so schön: „Diese Entscheidung war wie ein nasser Lappen für die Bevölkerung“.
Recht hat er, Maßnahmen gegen Politik- und Politikerverdrossenheit sehen anders aus…

 

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Ein Kommentar

  1. Niels Tümmler Antworten

    Auch ich hatte mich als Schöffe „beworben“, da ich einen solchen Posten bereits einmal beim Truppendienstgericht während meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr innehatte. Als ich dann die veröffentlichte Liste sah, habe ich gedacht: „Schade, aber bei 17 (!) Bewerbern können nun mal nicht alle dabei sein.“ Dann hörte ich auch noch, dass wohl alle, die bereits einmal Schöffe waren, nicht auf die Vorschlagsliste gesetzt wurden. Ob es tatsächlich so ist , vermag ich nicht zu beurteilen. Aber meine Gefühlslage zu der dann -glücklicherweise nun doch nicht-gültigen Liste ist ein Schwanken zwischen Ensetzen und Wut.
    Natürlich ist ein Politiker kein „Bürger zweiter Klasse“, aber gerade in Zeiten von stetig steigender Politikverdrossenheit und Kungelei bei vielen „gewählten Volksvertretern“ (Gerdau ist ein Paradebeispiel dafür), passt es einfach nicht, dass sich nun diese Herrschaften auch noch selbst auf diese Posten wählen.
    Es ist sicher nicht „sittenwidrig“ im gesetzlichen Sinne, aber es ist m.E. nach eine Frage des Anstands, sich in dieser Sache zurückzuhalten und den vielen anderen Freiwilligen die Möglichkeit zu geben, sich ehrenamtlich auf diesem Feld zu betätigen. Alles andere „stinkt zum Himmel“!
    Damit meine ich niemanden persönlich, aber ich bitte doch um eine wohlüberlegte Entscheidung – und die kann nur einen freiwilligen Verzicht bedeuten, zumindest aber die Stimmenthaltung, wenn es erneut um die Abstimmung dieser Liste geht. Alles andere wäre unehrlich und das Bild der „Postenschacherei“ wird in die Öffentlichkeit getragen. Seid doch froh, dass es (noch) so viele Interessenten am Ehrenamt bei uns gibt und vergrault diese engagierten nicht!!!!

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