Wer meint, Autokraten gibt es nur in Russland, wurde auf der Sitzung des Bau-, Wege- und Umweltausschusses der Samtgemeinde Suderburg am 23. 7. 2012 eines Besseren belehrt.
Themen waren u. a. die Erweiterung/Änderung der vorhandenen Biogasanlage in der Gemarkung Böddenstedt und der Neubau eines Schweinemaststalles mit Futtersilo und Güllebehälter in der Gemarkung Barnsen.
Grundsätzlich wurde vom Rat für beide Punkte festgestellt, dass der Samtgemeinderat nur hinsichtlich des Brandschutzes und aus städtebaulichen Gründen Eingriffsmöglichkeiten hat. Über alle immissionsrechtlichen Belange entscheidet der Landkreis, Fragen zur Zuwegung und Entscheidungen ob der Bevölkerung unzumutbare Belastungen durch Gerüche oder den Anlieferverkehr entstehen, obliegen den Gemeinden.
Allerdings: treffen Gemeinden und Samtgemeinde keine Entscheidungen, gilt die Antragstellung der Bauherrn als „durchgewinkt“.
Im Fall der Biogasanlage Böddenstedt tagt der Bau-, Wege und Umweltausschusses der Gemeinde Suderburg am 26. 7. 2012 im „Kaffee Hof“ in Suderburg und sucht nach Entscheidungen.
Im Fall des am Ortsrand liegenden Schweinemaststalles in Barnsen gibt es überraschenderweise schon eine Entscheidung der Gemeinde Gerdau: ein „gemeindliches Einvernehmen“.
Das hat der Bürgermeister und Gemeindedirektor Otto Schröder (in Personalunion) einsam (?) – und ohne Einbeziehung oder Unterrichtung des Gerdauer Rates – für sich beschlossen und verabschiedet. Und das machte einige Zuhörer und auch Ratsherren fassungslos. Auf die Frage, ob es sich hierbei um „Gerdauer Landrecht“ handelt, und ob das in der Verwaltung in Suderburg genauso gehandhabt würde antwortete Rüdiger Lilije (lächelnd): „ich habe wohl schmalere Schultern“… und der Bürgermeister in Gerdau habe als (gleichzeitiger) Gemeindedirektor eben die gemeindliche Hoheit.
Das nenn‘ ich nun ein dolles Ding… ein Gemeindedirektor oder Bürgermeister (oder beides in Personalunion), der es nicht schafft die Erneuerung einer Kinderschaukel im gemeindeeigenen Kindergarten innerhalb von vier Wochen auf den Weg zu bringen, (wobei ich mir hierbei eine gewisse Hemdsärmeligkeit durchaus wünschen würde…), dafür aber einen Schweinemaststall in Ortsrandlage für 1.360 Mastschweine ohne Beteiligung des Rates oder der Bürger so eben mal durchwinkt, ist mir suspekt!
Das stinkt schon stark nach Autokratie, zumal es in Bohlsen kürzlich (schweinestallmäßig) einen ähnlichen Fall gab. Auch hier war der Gerdauer Gemeinderat nicht involviert.
„Schöne(?) Scheiße!“
Im Fall der Biogasanlage in Böddenstedt hat bisher keinerlei Information der Bevölkerung stattgefunden. Sowohl Rüdiger Lilije (als Vertreter der Verwaltung), als auch verschiedene Ratsherren und -frauen haben mit der Erweiterung „schwere Bauchschmerzen“. Seinerzeit wurde die (durch das damalige Baurecht privilegierte) Anlage mit 500 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr genehmigt und lag dabei an ihrem Standort mit allen Auswirkungen „gerade noch“ im Bereich des Tolerierbaren.
Inzwischen wurde das Baurecht geändert und Anlagen gelten bis 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr als Privilegiert (das ist das 4,6-fache). Die Anlage in Böddenstedt soll nun sogar um das 5,4-fache auf 2,7 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr erweitert werden.
„Gefüttert“ werden soll sie mit „Material“, das sich (mit veränderten Anteilen) wie bisher zusammensetzt aus jährlich 4.000 Tonnen Rinder- und Schweinegülle, 50 Tonnen Getreidekorn, 12.000 Tonnen Silage und neu: 1.500 Tonnen Geflügelmist und 500 Tonnen Hackfrüchten (Rüben, Kartoffeln, Zwiebeln etc.).
Während das meiste Material aus der Region stammt, wird der Geflügelmist aus Merzen (bei Osnabrück) über 250 Kilometer nach Böddenstedt gekarrt. Da täglich ca. 5,5 Tonnen davon „verfüttert“ werden und die vorgehaltene und zwischengelagerte Menge 25 Tonnen beträgt, wird es wöchentlich zu zwei Transporten kommen.
Der (stinkende) Haufen vor Ort in Böddenstedt wird auf einer Betonplatte liegend mit Planen abgedeckt und soll täglich nur für ca. 10 Minuten zur Entnahme geöffnet werden.
Sobald der zwischengelagerte Haufen verbraucht ist, soll die Lagerfläche mit Besen gereinigt werden. (Also nie (?) denn siehe oben: vorgehaltene Menge…?)
Neben den unangenehmen Gerüchen dürften die im Hühnerkot enthaltene Antibiotikarückstände und Keime das noch größere Problem sein. Dieses dauerhaft nicht abzuschätzende Risiko wird derzeit in vielen Medien sehr kritisch beleuchtet und war auch ausführlich Thema in der Sitzung. Nach neusten wissenschaftlichen Untersuchungen „überleben“ diese Rückstände aufgrund zu geringer Temperaturen den Gärprozess. Später werden sie mit den Gärrückständen auf den Äckern verteilt und hier von den Pflanzen aufgenommen. Sie sind dort nachweisbar und somit dann in der menschlichen Nahrungskette – also dann auch für Vegetarier und Veganer…
Guten Appetit!