Ukraine: Momente im Leben…

Seit jeher gehen viele Suderburger Ingenieure nach dem Studium ins Ausland. Ihr Know-how ist gefragt. Die Zustände in der Ukraine dominieren seit Wochen die Nachrichten, viele Menschen machen sich große Sorgen. Hier der Bericht des Bauingenieurs, ehem. Suderburger Studenten und Ericaner Christian Becker, zur Situation im Land:

Wir alle kennen es: Momente Im Leben, die wir nicht vergessen werden. Ich möchte heute von einem Moment in meinem Leben berichten, den ich nie vergessen werde.
Seit dem letzten Sommer bin ich sehr viel in der Ukraine. Da ich mich sehr weit im Süden aufhalte, habe ich von den Unruhen in Kiew und anderen Orten nicht viel mitbekommen. Heute, am 24.2.2014, war ich geschäftlich in Kiew.

Zwischen zwei Geschäftsterminen hatte ich drei Stunden Zeit, in der ich mich mit meinen Dolmetscher Zhenya auf den Weg in die Innenstadt gemacht habe. Mir wurde zwar vorher von mehreren Seiten bestätigt, dass die lange ruhig ist, trotzdem hatte ich ein sehr mulmiges Gefühl, als wir den Weg Richtung Kishatik, der Hauptstraße und dem Majdan eingeschlagen haben. Schließlich haben unser Medien berichtet, dass dort Straßenschlachten getobt haben, Menschen erschossen wurden und angeblich sehr viele Terroristen bzw. Radikale am Werke sind.

Die erste Barrikade (Titelfoto) haben wir durch eine Öffnung passiert. Aufpassen mussten wir nur auf den Autoverkehr, der von den Menschen, die die Barrikaden besetzt halten, geregelt wird. Dann sind wir sehr lange die Kishatik Richtung Majdan gegangen. Auf der ganzen Straße sind Zelte aufgebaut, in denen die Menschen nun seit 3 Monaten leben. An vielen Stellen der Bürgersteige war das Pflaster heraus genommen, um es als Barrikaden zu verwenden. Ansonsten sah es ganz normal aus. Sehr auffällig waren nur die vielen Menschen, die Blumen mit sich trugen und von denen viele sehr traurig aussahen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir eins bewusst: „So nahe werde ich wahrscheinlich nie wieder ein wirklich historischen Ereignis erleben“. Als wir uns dann dem Majdan näherten sah ich EIN ausgebranntes Haus, welches direkt am Majdan steht. Auf dem Majdan selbst fand die ganze Zeit ein Gottesdienst statt zum Gedenken an die gestorbenen Menschen. Wir sind dann noch weiter gelaufen bis zum anderen Ende der Barrikaden der Kashatik. Das Anwesen von Herrn Janukowich, zu dem es ein Bustransfers gibt, wollten wir uns nicht anschauen.

Ukraine2Wir sind dann die Institutskaya hinaufgegangen. Hier haben vor fünf Tagen Truppen der gewählten Regierung und somit legimitierten Regierung mit Scharfschützen auf das eigene, demonstrierende Volk geschossen. Helfende, die Tote und Verletzte bergen wollten, wurden ebenfalls beschossen. Geschossen wurde von dem Dach eines Hotels und einem weiter entfernten Gebäude. Hier war die Stimmung der Demonstranten anders, aber völlig verständlich, da auf sie vor fünf Tagen noch geschossen wurde, wie auf einem Schießstand – Deckung gab es nicht! Ich habe mit eigenen Augen die Einschlaglöcher gesehen! Die Schaftschützen waren als Gäste in dem Hotel eingeschrieben, dass muss man sich mal vor Augen halten! Ich habe in diesem Bereich sehr viele Menschen weinen sehen, weit mehr als es Angehörige gewesen sein können. Ich selbst war nicht weit davon entfernt.

Auf dem Rückwege sprach Zhenya einen der Demonstranten auf der Kishatik an. Dieser berichtete uns, dass sie den Maidan nicht eher verlassen werden, bevor die Regierung und die Führung ausgewechselt ist und die Korruption wirksam bekämpft wird. Wenn es sein muss sind sie alle in wenigen Minuten wieder auf den Barrikaden.

Uns wurde von Terroristen berichtet und Vielem mehr, ich habe insgesamt ein ausgebranntes und zwei angebrannte Häuser gesehen. Neben selbigen waren nicht einmal die Schaufenster zerstört. Ein Teil der Geschäfte war schon wieder geöffnet. Meinem Empfinden nach, hätte das Ausmaß der Zerstörung um ein Vielfaches größer sein müssen, wenn dort wirklich die in den Medien dargestellten chaotischen Zustände geherrscht hätten.

Ukraine3
Innerhalb der Barrikaden

Dies ist ein Bericht meiner ganz persönlichen Empfindungen des Erlebten.

Christian Becker, al. Don Z! Z!Z!

Ein Kommentar

  1. Andreas John

    ..sehr guter Bericht, unterscheidet sich doch von dem, was man monatelang in den Medien hier lesen „durfte“. Sind Sie noch in der Ukraine tätig?
    Mit freundlichen Grüßen
    Andreas John

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