Leserbrief: Suderburger Sättigungsbeilagen

Ursprünglich wollte ich nur einige „abwegige“ Gedanken zu der Hand in Hand von Politik, Kirche und hohen Generälen am 5. 1. ausgerichteten, mit riesi­gem Medienrummel übertragenen Trauerfeierlichkeit anläßlich Peter Strucks Beisetzung für unsere Samtgemeindezeitung formulieren. Noch immer bilden die Dreifaltigkeit „Thron“, Altar und Wehrmacht eine Symbiose. Für Rituale und Hohlformeln von diesem Kaliber wie am 5. 1. sind in der formalen Demo­kratie nach wie vor viele empfänglich. So was wirkt wie Gehirndoping. Delek­tiert wird sich an Rollen und Rängen, gerade weil der Alltag des Normalbür­gers ganz gewöhnlich ist. Ob das makabere Spektakel des „Militärischen Staatsakts“ in einem Gotteshaus nicht vielmehr Blasphemie gegenüber den so­zialethischen und sittlichen Normen der „Bergpredigt“ (Lit. 5-7) ist, wollte ich als grundsätzliche Frage einfach mal in den Raum stellen, auch wenn ich mir damit aus Kreisen der SPD gewiß erheblichen Unmut einhandele, weil viele „Genossen“ seit 1914/18 längst ihren Frieden mit der Bewilligung von Kriegskrediten sowie dem Kämpfen für Volk und Vaterland geschlossen haben, und dass Deutschland noch immer weltweit an führender Stelle mit Kriegswaf­fen dealt. Ach ja…, und dann wird unsere Freiheit ja auch noch mit Bomben, Granaten und an Frauen und Kindern als „Kollateralschaden“ verübten Massa­kern am Hindukusch verteidigt, von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, verklärt als Friedensmissionen, gar nicht zu reden.

Aber dann hat mir unser Dorfpfarrer Matthias Dittmar mit seinen Ausführungen am 21. 1. auf der Suderburger „Bauernrechnung“ doch glatt einen Strich durch die Rechnung gemacht. Eingangs bedankte er sich in seinem Wort zum Samstag bei allen, „die geschwiegen haben, weil sie nichts zu sagen hatten“. Wissen Sie, was und wen er mit diesen kryptischen Worten meint? Ist der tie­fere Sinn vielleicht ein biblisches Flaggensignal? Vielleicht bib.: mt 5,9 ? Oder bib.: mt 5,44 ? Oder bib.: micha 4,3 ? Ausgerechnet dafür Dittmar der Pressesprecher Gottes? Ziemlich abwegig, zugegeben…, schließlich war Dittmar, bevor er nach Suderburg kam, Marinepfarrer auf Helgoland.

Suderburgs „Bauernrechnung“ in diesem Jahr war zwar, wie immer, ein sehr gut besuchtes Ritual. Bei Indianern nannte man so was früher „Grosses Pala­ver“, wobei häufig zum Schluß nichts bei rauskam. Im Publikum vertreten war zu 98 Prozent das Midlife- und das Seniorenalter, was dem Demographie­wandel allerdings nicht anzulasten ist. Die wenigen jüngeren Gäste mußten sich in Spillers großem Saal ziemlich verloren vorgekommen haben. Die ganze Veranstaltung ähnelte denn auch eher einer großen Kaffeefahrt, auf der, bevor’s ans „Eingemachte“ geht, gute Stimmung verkauft werden soll. Kaffee, Kuchen und belegte Brötchen gab’s, passend dazu, allerdings wie üblich gra­tis, gespendet von Suderburgs Geschäftswelt und Einzelpersonen der Dorf­gemeinschaft. Ob Suderburgs Einwohner an 364 Tagen des Jahres, vom lebendigen Vereinsleben des VFL mal abgesehen, im eigentlichen Sinne wirklich Gemeinschaft, oder doch eher Vereinzelung praktizieren? Von unserer Hoch­schule jedenfalls war lediglich ein Studierender und – soweit ich das über­blicken konnte – nicht ein einziger Dozent anwesend. Ist das gesellschaft­liches Leben?

Im Jahresrück- und -ausblick, sowie mit Daten und Zahlen unterfüttert, lob­te sich unsere Samt- und Gemeindeverwaltung über den grünen Klee in dem, was sie als Fertiggericht Rechenschaftsbericht nennt. Die „richtige“ Deu­tungshoheit behalten sich sowieso nur die beiden Bürgermeister vor. Die um sie herumsitzenden Ratsdamen und -herren sollen als Abnicker und Claqueure nur die Staffage bilden. Wer die Harmonie und „Politik des Möglichen und der Vernunft“ mit Einwänden, Kritik oder Zweifeln stört, besitzt laut Friedhelm Schulz eine „pessimistische oder gar negative Grundeinstellung“. Hautnah erlebte das an diesem Abend der SPD-Ratsherr Ulrich Mietzner, als der sich zu Wort meldete und im Zusammenhang der von der Landesregierung voraussichtlich endgültig abgelehnten Entschuldungshilfe erklärte, was Suderburgs Bürger zukünftig an finanziellen Zusatzbelastungen mit hoher Wahrscheinlichkeit schultern sollen: eine Erhöhung der Grundsteuer A und B von bisher 400 auf 440 Punkte; eine Erhöhung der Gewerbesteuer von 400 auf 410 Punkte; sowie eine Erhöhung der Hunde- und der Zweitwohnungssteuer. Ge­schähe das nicht, würde der Haushalt von der Kommunalaufsicht nicht geneh­migt werden. Erfolge keine Genehmigung, gäbe es an die Vereine etc. auch keine freiwilligen sozialen, kulturellen und sonstigen Leistungen mehr. Was Friedhelm Schulz oberlehrerhaft ex cathedra mit der Bemerkung abqualifizier­te, das sei alles völliger Blödsinn. Was lernt man daraus? Friedhelm Schulz hält sich für unfehlbar.

Um abschließend noch einmal auf unseren neuen, zeitlich verstanden, nicht mehr ganz taufrischen Gemeindepfarrer zurück zu kommen. Warum er den Bau­ernrechnungs-Anwesenden auch noch per Ordre de Mufti einen reinhängte, in­dem er sagte, im zurückliegenden Jahr seien leider für überflüssige Leser­briefe und böse Zeitungskommentare unnötig Bäume gefallt worden, und…, wenn man besser geschwiegen hätte, hätte man der Umwelt Gutes getan…, wa­rum er das sagte, weiß wohl nur der „liebe Gott“. Dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und eine lebendige Demokratie, hat er mit seiner in Worten verquasten Philippika jedenfalls keinen gottgefälligen Dienst getan. Euch wenn er Friedhelm Schulz damit sicherlich aus der Seele gesprochen hat. Nur in Diktaturen, Herr Dittmar, gibt es keine Debatten.

Borvin Wulf (parteiunabhängig)

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