Kommunalwahl: Demokratieverständnis ad absurdum

„Wahlen sind direkte Prozesse zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Politik. Sie erfolgen durch die Stimmabgabe (z. B. für einen Kandidaten, eine Partei) im Rahmen eines Wahlverfahrens. In der Bundesrepublik Deutschland folgen die Wahlen, wie in den meisten demokratischen Staaten, fünf Grundprinzipien, festgeschrieben im Paragraph 38 des Grundgesetzes. Die Volksvertretungen werden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Das gilt für den Bundestag, die Landtage und die Kommunalparlamente.
Das demokratische Recht, auf diesem Weg Einfluss auf die Politik auszuüben, ist keineswegs selbstverständlich, sondern das Ergebnis langer und schwerer politischer Auseinandersetzungen…“

Mit diesen Zeilen wirbt der Landesjugendring Brandenburg e.V. um die heranwachsenden Wähler in Brandenburg auf seiner Internetseite „Mach’s ab 16“

In Niedersachsen „dröhnt“ die Regierung am 15. April 2016:


„Beschlossen: Landeszentrale für politische Bildung kommt

Parteiübergreifend haben die Abgeordneten im Landtag eine wichtige Entscheidung für die Stärkung unserer Demokratie in Niedersachsen getroffen: Nach 12 Jahren wird es in Niedersachsen endlich wieder eine Landeszentrale für politische Bildung geben. Als unabhängige und eigenständige Einrichtung wird sie in Zusammenarbeit mit vielen Akteuren aus der Erwachsenenbildung ein Impulsgeber hier im Land werden, die neue Formate für politische Bildung entwickeln soll.

Begleitet wird die Landeszentrale für politische Bildung in ihrer Arbeit durch ein Kuratorium und Vertreter_innen aus der Zivilgesellschaft.

Dadurch wird das Demokratieverständnis in unserem Land gestärkt. Der Landtag wird die Entwicklung begleiten. Zur Startfinanzierung haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Million Euro im Haushalt für das Jahr 2016 beschlossen.

Wir schaffen so die richtigen Voraussetzungen, um konsequent und gut gerüstet Rechtsextremismus, Salafismus und anderen extremistischen politischen Gesinnungen entgegenzuwirken. Das wichtigste Mittel gegen solche Strömungen sind Information und Aufklärung. Der Wiederaufbau der Landeszentrale für politische Bildung ist ein großer Erfolg für alle Niedersachsen und ist Beweis dafür, dass die SPD Niedersachsen hält, was sie verspricht.“


 

Derart mobilisiert und hungrig nach Informationen und Aufklärung, läuft der mündige Bürger dann allerdings ins Leere, wenn er versucht sich über die Kandidat(inn)en der kommenden Kommunalwahl zu informieren.

Im Internet: gähnende Leere. Lediglich Informationen über Wahlausschüsse und Vorschriften. Sehr interessant!
Besonders die „Mach’s-ab-16-Generation“ wird begeistert sein. Sie beschafft sich die Informationen fast ausschließlich im Netz. (Aber vielleicht ist das in Brandenburg ja anders…)

Im Landkreis Uelzen ist es jedenfalls so. Die Hansestadt Uelzen (Stadtrat) und der Landkreis (Kreistag) veröffentlichen die Listen der Kandidat(inn)en in der AZ. Wer die nicht hat, hat Pech…

Die Internetseiten der Samtgemeinde Suderburg bieten ganz allgemein ein trauriges Bild. Unter „Aktuelles“ finden sich Informationen über die „Y-Trasse“ (gut 1 1/2 Jahre alt) und ein „Aufruf zur Unterstützung von Asylbewerbern“ (über 1 Jahr alt)…
Zur Kommunalwahl sind vier fast gleichlautende „Wahlbekanntmachungen der Wahlleitung“ vom 1. März 2016 unter „Bekanntmachungen“ zu finden. Darüber hinaus gibt es zwei aktuelle Meldungen über Bundeswehrmanöver und ein paar sonstige Veröffentlichungen aus der Vergangenheit.
Die Kandidatenlisten zur Kommunalwahl sind lediglich im Aushangkasten im Eingang zur Verwaltung ausgehängt. Und das auch nur für den Samtgemeinderat und den Gemeinderat in Suderburg. Die Kandidat(inn)en für den Kreistag und der Gemeinderäte Gerdau und Eimke sucht man vergeblich.

Der Versuch, sich politisch zu bilden, wird so im Keim erstickt. Die Beschaffung von Informationen, die es ermöglichen sein demokratisches Recht wahrzunehmen und auf diesem Weg Einfluss auf die Politik auszuüben, wird nicht nur erheblich erschwert – es muss sogar teuer erkauft werden: ca. 60 km muss der/die Interessierte zurücklegen (Suderburg – Eimke – Gerdau – Uelzen – Suderburg), um eine Übersicht über die Kandidat(inn)en zu bekommen, die er/sie im September wählen soll.

Information und Aufklärung sieht anders aus.Was nützen die gut gemeinten, aber kopflastig verbratenen, eine Millionen Euro? Die machen nur Sinn wenn’s an der „Basis“ auch stimmt.

Demokratieverständnis kann auf diese Weise nicht gestärkt werden – und Entstehen kann es dadurch erst recht nicht.

 

Ein Kommentar

  1. Werner Bolhorn Antworten

    Gut, dass das einmal thematisiert wird.

    Das „Gerdauer Landrecht“ erobert nun auch Suderburg!

    Es gibt mittlerweile viele BürgerInnen, die sich, letzendlich dank Internet für die kommunale Politik interessieren. Für unsere Bürgermeister und Verwaltungen anscheinend zu viele. Frei nach dem Motto, zuviel brauchen die auch nicht wissen, hat man dem einen Riegel vorgeschoben.

    Hier ein Auszug wie auf der Internet-Seite der SG-Suderburg das Bürgerinformationssystem, vorher Ratsinformationssystem angepriesen wird:

    Der Kalender zeigt die Sitzungen der Räte und der verschiedenen Ausschüsse. Sie haben Zugriff auf die Tagesordnungen mit den öffentlichen Beratungsvorlagen. Im Bereich der Sitzungsauswahl können Sie gezielt die Informationen zu einer speziellen Sitzung abrufen.
    Die Volltextrecherche bietet die Möglichkeit, alle Informationen zu einem bestimmten Thema aufzurufen.

    Bis etwa April 2016 funktionierte das zurück bis ins Jahr 2009 (Start RIS), jetzt nur noch bis Jan. 2016.
    In diesem Zusammenhang gibt es noch vieles, von dem man sagen muss, Information und Aufklärung geht anders.
    Zwei neue Wotschöpfungen und was daraus resultiert sind noch besonders hervor zu heben.
    Besonders beliebt in Suderburg ist die „interfraktionelle Sitzung“. Ganz tolle Sache, die Öffentlichkeit bekommt nichts mit, kein Protokoll. Niemand braucht sich auf Sitzungen vor den Augen Interessierter äußern. Die BürgerInnen erhalten weder Info worum es wirklich geht, was sind die Knackpunkte, noch können sie erfahren wofür „ihr“ gewählter Kandidat wirklich steht.
    Es muss doch zu schaffen sein, dass sich die Leute die zur Farce degradierten öffentlichen Sitzungen nicht mehr antun.

    In Gerdau hat höchste Priorität die mindestens einmal jährliche „Wegebereisung“. Alles ohne Öffentlichkeit, keine Tagesordnung, kein Protokoll aber mit weitreichenden Beschlüssen für alle BürgerInnen!

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