Kein „Modus vivendi“ am Poppelreunsgraben

Besagter lateinischer Begriff, mit dem eine (erträgliche) Übereinkunft, eine Verständigung und dergleichen gemeint ist, oder auch (mit etwas) zu leben, trifft es vielleicht am ehesten: am Poppelreunsbach zog im Rahmen der Baustelle in Suderburg Ärger und Streit auf, die Gemüter verhärteten sich…
Bereits im Vorfeld der Baustelle war die Gemeinde auf diesen im Gemeindebesitz befindlichen, ehemaligen Viehtriebsweg aufmerksam gemacht worden – als Umleitungsmöglichkeit für die Baustelle. Sie ging nicht drauf ein und als es dann ganz dicke kam und die Hauptstraße vollständig gesperrt werden mußte, war die Not groß: wie sollten die Bürger nun ins Dorf kommen – einen Plan B gab es nicht.

Der Umstand, daß der Landkreis die Gemeinde nicht, oder erst viel zu spät über die (ungeplante) Vollsperrung informierte, verschärfte die Situation. In der Zwischenzeit hatte nämlich die Bauleitung ein Gespräch mit der Familie Hillmer gesucht und gebeten, den Hof als Ausweichstrecke nutzen zu können. Dagmar Hillmer sagte das für Fußgänger und Radfahrer zu, sofern der Landkreis die Haftung für den Fall übernimmt, dass beim Queren des gepflasterten Hofes (mit darauf befindlichen Fahrzeugen, Maschinen etc.) etwas passiert. Die wurde ihr zugesagt – allerdings, unerklärbar und ziemlich kurzsichtig, nur für einen zeitlich beschränkten Zeitraum. Als die Baustelle dann Tage vorher „dicht machte“, war das Dilemma da: keine haftungsrechtliche Absicherung…
Um sich abzusichern stellten Hillmers nun Schilder auf: Fußgänger erlaubt, Radfahrer nicht. Das letztere auch absteigen können fanden einige von ihnen unangebracht – also kam ein Zusatzhinweis mit auf‘s Schild, der Verweis doch den ehemaligen Viehtriebweg zu benutzen.
Und damit war der Weg aus seinem Dornröschenschlaf – und mit ihm seine lange, banale und teilweise unnachvollziehbare Geschichte:
Soweit es nachzuvollziehen ist (und die, die etwas besser wissen mögen das korrigieren) wurde der Weg ursprünglich zum Viehtrieb der Bauern aus dem unteren Dorf genutzt. Die Gemeinde ließ irgendwann diesen Streifen als Weg widmen „wohl um Streit zu verhindern wer ihn nutzen darf“. Später soll „der eine Kühe getrieben, der andere mit Pferd oder Trecker gefahren und der Schäfer auch mit dem Auto dort langgefahren sein“.
In den 1980er Jahren, nachdem kein oder kaum noch Vieh getrieben wurde, erhielt einer der anliegenden Wieseneigentümer von der Gemeinde das Recht, den Weg für sich auch wirtschaftlich zu nutzen (zum Mähen). Das wurde allerdings weder offiziell eingetragen noch ein Entgelt dafür vereinbart. Zur Überfahrung des Rinnsals legte der Landwirt drei Betonröhren in das die Wiese durchschneidende „Bachbett“, entfernte seine Zäune am Wegverlauf und umzäunte die gesamte Fläche. Wer die bis dahin verlegten Röhren entfernt hat, wo genau sie gelegen haben und wo sie verblieben sind, kann heute nicht mehr geklärt werden.
Später gab es verschiedene Anträge um den Weg wieder zu öffnen, zum Reiten nutzen zu dürfen oder als Wander- und Radweg dem Tourismus bereit zu stellen. Alle wurden von den jeweilig regierenden Räten abgelehnt. Genau wie der Antrag des Landwirts, den Weg zu kaufen oder, bei der frühen Planung des Radweges zur B4, Flächen zu tauschen/kaufen.
Nun standen also Radfahrer etwas ratlos vor dieser frisch gemähten Wiese – wo war der Weg? Und wie über den Bach kommen, denn der Nutzer der Flächen hatte inzwischen zwei Betonröhren der Überfahrt entfernt, nachdem ein Trecker den Weg benutzt hatte und Autos die Überquerung versuchten.
Findige Bürger kamen dann ganz pragmatisch auf diese Lösung:

…aber sie hatte nicht lange Bestand. Im Rahmen der Radwegeinweihung besichtigten die Offiziellen des Landkreises mit Beteiligten aus unserem Rat diese „Nebenbaustelle“ und ließen kurzerhand eine Stahlplatte der STRABAG über den Bach legen. Damit war für sie die Überquerung gesichert. Nicht aber für die Suderburger Verwaltung…
Am selben Tag, an dem die Baustelle wieder durchgängig war, wurde die Platte entfernt und der Bauhof mit der Sicherung des Geländes beauftragt. Verkehrssicherungspflicht nennt sich das und ist ein ernstes Thema. „Eine Person sei bereits auf der Stahlplatte zu Fall gekommen und schließlich könne ja auch ein Kind seitlich von der Stahlplatte in den Graben fallen und ertrinken. Dafür möchte die Verwaltung nicht die Verantwortung tragen“, meinte die Verwaltung und ließ Pfähle eingraben:

 

Bereits am nächsten Tag stand eine radfahrende Mutter mit ihrem Rad-Kinderanhänger-Gespann vor Hillmers Tür und bat um frei Durchfahrt über den Hof: die Baustelle war nicht durchlässig genug, der vorgesehene „Pfad“ schlichtweg zu schmal für das Gefährt. Sie durfte natürlich, aber der Zustand ist – so – für alle Betroffenen unzumutbar.
Der Viehtriebweg hätte, bei entsprechender Weitsicht, mit relativ geringen Mittel als Ausweichweg für die gesamte Bauzeit hergestellt werden können. Wahrscheinlich sogar im Rahmen der Baustelle, also kostenneutral. In der gehabten Form – als Wiese – war er keine Alternative.
Hillmers haben von vornherein ihren Hof für Rettungs- und Einsatzwagen freigegeben. Individuelle Absprachen mit betroffenen Firmen gab es auch. Daraus abzuleiten, das alle anderen das dann auch können – ohne vorherige Absprache und entsprechende Absicherung überschreitet jede „Bürgerpflicht“grenze. Jeder stelle sich nur mal vor, ein halbes Dorf fährt über den eigenen Hof…

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