Karoshi und Burn Out

Japan ist ein Land der Innovationen, auch der negativen. Dort wurde zum ersten Mal die Todesursache Karoshi diagnostiziert, der plötzliche Tod durch Überarbeitung, meist infolge eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls. Zahlreiche Selbstmorde bei France Télécom vor einigen Jahren als Folge von „Terror-Management“ oder auch nur die stetig steigende Zahl von Burn Outs von Mitarbeitern in deutschen Unternehmen als Folge von (beruflicher) Überlastung zeigen, dass die so oft beschworene Life-Work-Balance für Viele eine Wunschvorstellung bleibt. Ob dies Folge einer Suchterkrankung (Workoholic) oder Folge äußeren Zwangs und Drucks ist, sei dahingestellt. Das Versprechen der Politik, Karriere und Beruf, Familie und Selbstverwirklichung durch entsprechende Maßnahmen (z. B. Elterngeld, Anspruch auf Teilzeitarbeit) gleichberechtigt unter einen Hut zu bringen und dabei gleichzeitig physisch und psychisch gesund zu bleiben, ist vor diesem Hintergrund fraglich.

Und dennoch etabliert sich eine Vorstellung, eine Erwartung, die viele, v. a. auch junge Menschen überfordert. Sie sollen nicht nur gut ausgebildet und qualifiziert für das Berufsleben sein, sondern gleichzeitig für Nachwuchs sorgen, in einer gleichberechtigten Partnerschaft leben, in denen beiden Elternteile berufstätig sind bzw. Karriere machen, konsumieren, bestenfalls noch ein Haus bauen und räumlich mobil sein. Und das Ganze natürlich ohne Vernachlässigung sozialer Kontakte oder gar der eigenen Person. Und möglichst schnell und effizient.

Das nun auch in Deutschland um sich greifende Social Freezing, das Einfrieren unbefruchteter Eizellen, um diese Anforderungen zeitlich entzerren zu können, ist hierbei nur eine von vielen Folgen. Ausdruck einer solchen Ökonomisierung des Lebens ist auch unser Bildungssystem. Schnell zum Abitur (G8) und noch schneller zum ersten Studienabschluss (Bachelor), um möglichst mit Anfang zwanzig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

Wir vergessen dabei nur eines: Höchstleistungen im Beruf (und in der Familie) benötigen Zeit. Zeit, um aus Informationen Wissen zu machen, Zeit für Muse, um Kreativität frei zu setzen, Zeit auch für Nichtstun, um sich schlicht und ergreifend zu regenerieren. Doch diese Zeit gilt als verschwendete Zeit, als Kostenblock in Unternehmen und für die Gesellschaft. Doch diese Zeit würde Zinsen tragen. Hohe Zinsen. Und gleichzeitig die Kosten für Karoshi und Burn Outs reduzieren. Es scheint manchmal, als seien Unternehmen und auch die Politik schlechte Kaufleute.

Termin vormerken: 05. bis 06.04.2015, ganztägig: Frohe Ostern!

Die Kolumne von Prof. Dr. Arnd Jenne, zuständig für Handelsmanagement an der Ostfalia Hochschule in Suderburg berichtet über aktuelle Projekte aus Handel und Logistik.

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