Ungefähr 60 Zuschauer verfolgten am 3. September 2012 die öffentliche Sitzung des Bau-, Wege- und Umweltausschusses der Gemeinde Gerdau im Gasthaus Köllman, Bargfeld.
Beeindruckenster Akteur des späten Nachmittags war Baubereichsleiter Rüdiger Lilije, der die Gelegenheit gleich mehrfach nutzte seinen Unmut zu äußern und den Gerdauer Rat in vielfacher Weise anzuzählen. Dazu erläuterte er die Praxis an Beispielen und zitierte Verwaltungsvorschriften, Gesetze und Paragrafen, bis auch dem Letzten schwindelig war.
Er nahm aber auch Otto Schröder in Schutz, der im Vorfeld viel Kritik einstecken mußte, weil er ohne Einbeziehung des Rates einen Antrag auf Bau eines Schweinemaststalles in Barnsen „durchgewunken“ hatte. Lilije gab seinem persönlichen Unwohlsein bei der Angelegenheit Ausdruck, aber das Verfahren sei im Rahmen der „Lückenkompetenz“ bisher als Geschäft der laufenden Verwaltung behandelt worden. „Also war bisher alles richtig – aber wenn das so weiterläuft ist es falsch“, so sein Fazit.
Er ermahnte den Gerdauer Rat dringend die Verfahrensweise bei Bauanträgen zu ändern und auch exakt in der Geschäftsordnung festzuschreiben. „Beziehen Sie sich dabei auf Paragrafen“, davon gäbe es genügend, die die bestimmten Bauvorhaben genau beschreiben und klassifizieren. Solange das nicht geschehen ist, will Lilije keine weiteren derartigen Anträge des Gerdauer Rates mehr bearbeiten, weil für ihn Rechtssicherheit bestehen muß.
Dabei haftet er teilweise sogar persönlich und deshalb ist „damit jetzt Schluss“, so Lilije, „denn ich mache keine Spielchen, ich mache meine Arbeit!“
Otto Schröder beschwerte sich umfangreich über die „üble“ Berichterstattung in der letzten Zeit. Sie sei sensationslüstern, größtenteils falsch, unsachlich und er wäre zu keiner Zeit dazu befragt worden. Anschließend informierte er zum TOP 3 die Anwesenden:
– Der Krippenbau in Gerdau sei gut gelaufen, man sei 2-3 Tage im Verzug.
– Der Antrag auf energiesparende Beleuchtung in Gerdau sei genehmigt worden.
– Gemeldete Manöverschäden sind behoben bzw. in Auftrag gegeben.
– Zum Bauantrag Schweinestall Wille in Barnsen wurde der Antrag im Juni eingereicht. Er, Schröder, habe ihn als Geschäft der laufenden Verwaltung gesehen und war davon ausgegangen, daß die bisherige Verfahrensweise auch weiterhin gültig ist. Er habe den Rat (Hentschke, Kleuker und Meumann) über den Antrag unterrichtet und Dieter Bähre als nächsten Anlieger. Da der Antragsteller Anspruch auf eine unverzügliche Beantwortung seines Antrage hat, habe er am 28.6. das Einvernehmen mit der Samtgemeinde erklärt.
– Im Vorfeld eines möglichen Bauantrages über eine Erweiterung eines Hähnchenmaststalles in Holthusen habe er den Landwirt Kaiser und die Bohlsener Mühle gebeten Vorgespräche zu führen, da der Landkreis darum gebeten habe, die Mühle zu berücksichtigen.
Elvira Hentschke machte in Anbetracht der vielen Zuhörer darauf aufmerksam, dass nur Gerdauer Bürger das Recht hätten, in der Bürgerfragestunde Fragen zu stellen. Vorab hatte sie ebenfalls die Medien kritisiert und bezweifelt, „das es Sinn macht, dass alles in der Presse ‚breitgetreten‘ wird“.
Auszugsweise und verkürzt:
– Anschließend ging es noch einmal um die Ladung zum letzten (gescheiterten) Termin des Ausschusses. Die Anfrage, warum Thorsten Suderburg sich die Einladung zur Sitzung nicht aus dem Rats- und Bürgerinformationssystem der Samtgemeinde geladen habe, wurde zurückgewiesen mit der Begründung, daß die Gerdauer Ratsmitglieder nicht verpflichtet sind, dieses System zu nutzen.
– Auf die Frage nach der Meinung des Ausschusses zur Erweiterung der Hähnchenmastanlage in Holthusen hieß es, man habe keine. Man wüßte schließlich nichts davon weil ja kein Antrag vorläge.
– Auf seinen aufgeregt vorgetragenen Beitrag („Noch’n Stall und noch’n Stall…), indem er die Presseberichterstattung verteidigte („irgendwoher müssen die Bürger ja die Informationen bekommen, wenn nicht vom Rat“) und der Aussage, das er für die schweigende Mehrheit spräche und das Vertrauen in die gewählten Vertreter langsam verlöre, weil er das Gefühl habe das hier bewußt nicht die richtigen Fakten gesammelt würden, erhielt ein Bürger als Antwort von Elvira Hentschke: „Sie möchten Atomkraft weiterbetreiben“? (???)
– Warum der Bauantrag nicht im Rat besprochen wurde: „Haben wir immer so gemacht…“
– Zum Schweinemaststall-Neubau in Bohlsen die Frage „Viele haben das Gefühl wenig informiert zu werden. In Barnsen ist gefragt worden, in Bohlsen nicht, warum“: Otto Schröder „Die Erweiterung war bereits beim Bau des ersten Stalles angesagt und imerhin sind bereits 250 Schweinemastplätze innerörtlich stillgelegt worden.“
– Eine Zuhörerin machte sich Sorgen über die Schädigung der Umwelt, der Böden – sie hätte Angst „Es geht schließlich auch um Menschenschutz“.
– Auf die Frage „Wieviel Massentierhaltung verträgt die Region“: Otto Schröder „Wenn in einer Region, dann hier“. Wilhelm Schröder „Vor 20 Jahren war hier bei uns der Tierbesatz zweimal so hoch“ (Gelächter)
…
Wolfgang Hahnemann (SPD) und Manuela Arndt (Grüne) stehen in Gerdau als Opposition auf verlorenem Posten. Sie rügten die Vorgehensweise der Verwaltung und erwarten, daß über den Antrag, der von der Kreisverwaltung wegen Unvollständigkeit zurückgegeben wurde, in einem erneuten Verfahren in den Ratsgremien verhandelt wird. Außerdem forderten sie, dass die Bürger bei der Entscheidung eingebunden werden.
Wolfgang Hahnemann verlaß eine Erklärung, in der die SPD-Fraktion und Manuela Arndt „den Bau weiterer großer Mastställe in unserer Gemeinde ablehnen, so lange nicht sicher gestellt ist, dass die Gesundheit unserer Bevölkerung durch Feinstaub- und Keimbelastung sowie durch die Verabreichung von Antibiotika nicht gefährdet ist“.
Manuela Arndt verwahrte sich gegen den Tonfall, der ihr anschließend seitens der CDU-Mitglieder entgegenschlug. „In solch einem Ton laß ich nicht mit mir reden. So brauchen wir nicht weiterreden…“
Von Otto Schröder fiel auf der Veranstaltung ein Satz, der, im Zusammenhang zur Gesamtproblematik der Sitzung, bei vielen Anwesenden zu einem Raunen und Gelächter führte: „Bohlsen ist Sieger im Wettbewerb ‚Unser Dorf soll Zukunft habe‘ und wir werden dafür sorgen, das das auch so bleibt“…
Das man darüber durchaus Zweifel haben kann, belegte die gesamte Veranstaltung. Als Machtversessen und Machtvergessen kann man sowohl die Haltung zu den Sachthemen als auch den Umgang mit Zuhörern und oppositionellen Ratskollegen/innen beschreiben.
Otto Schröder und seine Fraktionskollegen/in bieten nach außen das Bild einer ver-/geschlossenen „Lobby-Truppe“, die allein die Regeln macht und ausschließlich ihre Meinung und eigene Interessen kennt. Der sich sorgende Bürger ist Störfaktor, Kritik wird arrogant vom Tisch gewischt, andere Meinungen oder Alternativen sind nicht erwünscht.
Zukunft? So jedenfalls nicht!