Handelsabkommen sollen den Handel zwischen Staaten erleichtern in dem sie Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abschaffen oder zumindest abbauen. Ziel ist es, den Warenfluss zu vereinfachen, um damit Wirtschaftswachstum als
Voraussetzung für neue Arbeitsplätze zu erzeugen. In diese Tradition reiht sich auch die viel diskutierte TTIP, die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen EU und USA, ein. Mit ihrer Realisierung würde die größte Freihandelszone der Welt entstehen, ein Marktgebiet mit mehr als 820 Millionen Konsumenten.
Problematisch hierbei ist jedoch in erster Linie, dass die Vorstellung von „guten Produkten“, die dann über den Atlantik gehandelt werden sollen, sehr unterschiedlich ist. Während in Europa und insbesondere in Deutschland „Chlor-Hühnchen“, genveränderte Lebensmittel oder hormonbehandelte Rinder und Schweine eher skeptisch gesehen werden, sind sie in den USA zum Standard geworden. Und damit stellt sich die Frage, welche Standards für Produkte und auch Produktion gelten sollen. Welche Umwelt- und Sozialauflagen müssen erfüllt werden, damit Güter gehandelt werden dürfen? Soll also bspw. durch Fracking gewonnenes Erdgas nach Europa verkauft werden können? Oder sind die hohen Sozialstandards in Deutschland, wie bspw. das Recht auf die Gründung von Betriebsräten oder die Tarifautonomie, plötzlich Wettbewerbsnachteile?
Eine vermeintliche oder tatsächliche Benachteiligung von Unternehmen durch Gesetze oder staatliches Handeln und damit zu erwartende Gewinneinbußen können darüber hinaus zu sogenannten Investor-Staats-Klagen führen. Hierbei können, so sieht es die TTIP vor, Unternehmen Staaten auf Schadensersatz verklagen. Und dies nicht etwa vor einem ordentlichen Gericht, sondern in Form von hinter verschlossenen Türen tagenden Schiedsgerichten. Ein solches Schiedsgericht besteht aus drei Personen, eine von jeder Seite bestimmte und eine weitere, die von beiden Seiten gemeinsam in das Gremium berufen wird. Deren Urteil ist völkerrechtlich bindend, Berufung oder Revision nicht zulässig. Hierbei geht es um hohe Millionensummen, wie Beispiele in der nord-amerikanischen Freihandelszone NAFTA zeigen. Mit anderen Worten: strengere Umweltgesetzte, Mindestlöhne oder das Verbot bestimmter Produkte führen (zwangsweise) zu geringeren Gewinnerwartungen und damit zu Klagemöglichkeiten gegen den Staat, letztendlich gegen den Steuerzahler, der damit für entgangene Unternehmensgewinne haftet. Damit aber wiederum stellt sich die Frage, inwieweit ein solches „Damokles-Schwert“ den Handlungsspielraum von Staaten, Regierungen und damit demokratische Prozesse beeinflusst.
Es gibt also genug Gründe, die TTIP ausführlich zu diskutieren, die Betroffenen, also wir Bürgerinnen und Bürger, mit in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Doch dies geschieht eben gerade nicht. Vielmehr werden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen geführt und von (transnationalen) Unternehmen sehr stark mitbestimmt. Und vielleicht ist Weihnachten ein guter Moment inne zu halten und darüber nachzudenken, ob wir zukünftig tatsächlich „Chlor-Hühnchen“ und Hormonfleisch auf dem Teller haben wollen oder ob manchmal weniger nicht doch mehr ist..
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben schöne Weihnachten und einen guten Start in das Jahr 2015!
Prof. Dr. Arnd Jenne
Die Kolumne von Prof. Dr. Arnd Jenne, zuständig für Handelsmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Suderburg berichtet über aktuelle Projekte aus Handel und Logistik.
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Arnd Jenne,
da haben Sie TTIP und seine möglichen Auswirkungen wirklich eindrucksvoll auf den Punkt gebracht.
Haben Sie auch Handlungsempfehlungen, was Bürgerinnen und Bürger hier vor Ort unternehmen können, um von der Politik tatsächlich in die Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden, sich an einer Diskussion beteiligen können?