Stehen wir wieder ganz am Anfang mit dem drohenden Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke?
Sie erinnern sich?
2014 begannen die Bürgerproteste gegen die geplante Bahn-Neubau-Trasse, die sogenannten Y-Trasse.
Um die Bürger und zahlreichen Bürgerinitiativen in den Planungs- und Entscheidungsprozess einzubinden, wurde das „Dialogforum Schiene Nord“ (DSN) einberufen, dass ab Februar 2015 seine Arbeit aufnahm und später mit den Alpha-E-Verträgen endete.
Viele bezweifelten allerdings schon damals, dass die Bahn sich an die erarbeiteten Kompromisse halten werde. Und danach sieht es nun aus…
(Hier ein Querschnitt der damaligen Berichterstattung auf suderburg-online.de: https://www.suderburg-online.de/page/3/?s=1.+Dialogforum)
Gegen ein lärmschutzloses (!) Abschieben der Güterverkehre auf die Bestandsstrecken!
Eines der Kernziele des DSN war es ursprünglich, Lösungen für die sich steigernden Prognosezahlen des Hafenhinterlandverkehrs aus Hamburg und die dadurch entstehenden Belastungen durch einen Ausbau großräumig zu verteilen. Daher waren Umroutungen von Verkehren grundsätzliche Bestandteile von zielführenden Überlegungen. Damit wurde deutlich, dass mit dem dreigleisigen Ausbau der Teilstrecke Uelzen – Lüneburg und der Möglichkeit von Umroutungen von Verkehren weg von der Strecke Uelzen – Lüneburg insgesamt doch erhebliche Reserven zur Verfügung stehen. Diese Ergebnisse trugen zum Erfolg bei und wurden dann als Zielvariante optimiertes Alpha-E mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1,1 und somit also größer 1 ausgewiesen und erfüllten damit die Bedingungen zur Wirtschaftlichkeit.
Dieser Zusammenhang, Kapazitätsreserven durch Umroutungen und eine gegebene Wirtschaftlichkeit, waren Schlüsselpunkte für die breite Zustimmung mit ca. 85% zu Alpha-E im DSN. Während der überwiegende Teil der Region mit dem Ergebnis von Celle gut leben konnte, ergaben sich erhebliche Einsprüche aus Lüneburg, Deutsch Evern und später Bad Bevensen.
Unterstützung zur Entscheidung des DSN durch Politik
Mit der Präsentation des Abschlussdokumentes am 5.11.2015, nach beinahe einem Jahr intensiver Arbeit im DSN, wurde auch durch den damaligen nieders. Verkehrsminister Lies, den damaligen DB-Infrastrukturvorstand Dr. Kefer und insbesondere vom Staatssekretär aus dem Bundesverkehrsministerium, Herrn Ferlemann, das Ergebnis besonders positiv hervorgehoben. Zitat aus Rede von Herrn Ferlemann: „Jetzt müssen Sie uns vertrauen, dass wir die [Lösung] auch vernünftig umsetzen. Und deswegen finde ich es gut, dass Sie so einen Projektbeirat bilden, und dass der uns begleiten soll. Ich begrüße es ausdrücklich, weil es […] auch Menschen geben [wird], die mit der vorgefunden Lösung nicht einverstanden sind. Es wird auch Institutionen geben, die uns dann demnächst schreiben werden, das sei alles zu wenig und das ginge doch auch anders. Nein, wenn wir uns jetzt heute darauf verständigen, das, was Sie beschlossen haben – Alpha-E mit den Ergänzung der privaten Strecken – wird von uns so umgesetzt –kein Ypsilon mehr, keine Neubaustrecken, sondern es sind Ausbaustrecken und dabei muss es bleiben–, dabei müssen Sie uns begleiten“.
Berechnungen zum Bundesverkehrswegeplan
Im weiteren Diskussionsverlauf mit der Bahn zeigte sich aber, dass sie begann, einen Nachdruck auf den schnellen Personenfernverkehr zu setzen, der in der Kosten-Nutzen-Rechnung einen anderen Schwerpunkt ausmachte und somit auch eine andere Schieneninfrastruktur voraussetzte, um den Mischverkehr von langsamen Güter- und schnellen ICE-Zügen aufzuheben. Hierdurch wurde das Augenmerk auf Geschwindigkeitserhöhungen im Trassenverlauf gesetzt, weshalb die Ausgangslage von Celle immer mehr in den Hintergrund trat.
Die Alpha-E-Lösung wird im Bundesverkehrswegeplan als eine „Ausbau-/Neubaustrecke (ABS/NBS) Hamburg – Hannover“ beschrieben und mit den Detailbeschreibungen „3. Gleis Lüneburg – Uelzen; ABS Ashausen – Uelzen – Celle, Vmax 250/230 km/h (ggf. mit zusätzlichen fahrplanbasierten Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung und Ortsumfahrungen)“ untermauert. Ein Nutzen-Kostenverhältnis (NKV) von 1,0 wird im Rahmen dieser Planungen ausgewiesen. Tatsächlich legten die Bundesgutachter ihrer Berechnung des NKV den viergleisigen Ausbau zwischen Stelle und Uelzen und den dreigleisigen Ausbau zwischen Uelzen und Celle zugrunde. Hier klaffte also zwischen der Beschreibung des Projekts im Bundesverkehrswegeplan und den zugrundeliegenden Berechnungen ein gewaltiger Widerspruch. Nachdem das bekannt wurde, hat der Projektbeirat interveniert, auf Aufklärung und Beteiligung gedrängt und die Zusammenarbeit mit der DB zeitweise unterbrochen.
Gläserne Werkstatt
Im Ergebnis hatte die Bahn zugesagt, im Rahmen einer „Gläsernen Werkstatt“ alle Planungsschritte und Ergebnisse transparent darzustellen. Die Ergebnisse wurden bei diversen Treffen sehr umfangreich präsentiert. Unsere Befürchtung war von Anfang an, dass uns die DB mit diesem aufwändigen Verfahren nur nachweisen wollte, dass Alpha-E in allen Varianten nicht machbar sei. Das wurde dadurch bestätigt, dass am Ende keine der untersuchten Varianten ein positives NKV über 1,0 erreicht hat. Einen Hinweis, dass es am Ende auf eine Neubaustrecke hinauslaufen könnte, gab Herr Hudaff von der DB, der die betrachtete Umfahrung nördlich Lüneburg bis nördlich Uelzen als die Variante bezeichnete, die einer Lösung am nächsten käme. Schon während des Verfahrens haben sich fünf höchst unzufriedene BI’s zusammengetan und einen Gutachter mit der Aufgabenstellung beauftragt, die Machbarkeit von Alpha-E zu überprüfen. Die Finanzierung wurde alleine durch die BI’s gesichert.
Vieregg-Gutachten
Die Studie des renommierten Münchener Eisenbahn-Gutachters Dr. Vieregg kommt zu dem Ergebnis, dass sogar unter der Berücksichtigung der Anforderungen durch den Deutschlandtakt und den neueren Verkehrszahlen ein Ausbau von Alpha-E im Sinne des DSN möglich sei. Hierfür wären diverse Anpassungen der Strecken zu berücksichtigen (Ausbau Knoten Hamburg, Durchfahrten Bahnhöfe Harburg, Lüneburg, Uelzen und Celle, Viergleisigkeit Lüneburg-HH, teilweise Dreigleisigkeit UE/Celle). Die Ergebnisse wurden im Januar allen Betroffenen/Beteiligten öffentlich vorgestellt und stehen als pdf-Datei allen Interessierten zur Verfügung. Bitte hierzu den Link zum Internetauftritt des Projektbeirats anklicken und dort bei Vieregg-Gutachten den Download-Knopf betätigen: https://beirat-alpha.de/ Die Bahn sicherte im Rahmen einer Sitzung der „Gläsernen Werkstatt“ eine objektivierte Überprüfung zu. Erste Gespräche zwischen Bahn und Gutachter lassen allerdings auch vermuten, dass die Bahn alles daran setzen, wird die Machbarkeit anzuzweifeln, gleichzeitig jedoch die für sie guten Ansätze zu übernehmen. Eine letzte Bewertung durch die Bahn ist allerdings noch offen.
Deutschlandtakt
Zusammen mit dem Zukunftspakt Schiene wurde Ende Juni 2020 der 3. Entwurf für den Deutschlandtakt veröffentlicht. Danach sind für den Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) Geschwindigkeiten bis zu 300 km/h auf der Strecke H/HH geplant. Das wiederum führt dazu, dass in den Planungen ICE-Linien im Einstundentakt ohne Halt in Celle, Uelzen und Lüneburg vorbeigeführt werden. Ob diese Städte dann weitgehend vom schnellen Verkehr abgeschnitten werden, oder ob es weiter die heutige ICE-Anbindung geben wird, liegt allein in den Händen der DB. Beispiele südlich von Hannover lassen Böses ahnen. Aber eines ist auch klar: Der vorher so im Fokus stehende Güterverkehr als Entlastung für den Hamburger Hafen geht über die vorhandenen Bestandsstrecken, ohne dass besondere Ansprüche auf Lärm- oder anderen Schutz besteht, da ja keine tiefer gehenden Eingriffe in die Bestandsstrecke vorgenommen werden müssen.
Dass die Anforderungen des Deutschlandtaktes nach Auffassung der Gutachter des BMVI zwangsläufig auf eine Neubaustrecke mitten durch die Heide hinauslaufen, zeigt eine Präsentation, die Mitte Juli bei einem Treffen der Vertreter des Schienenpakts gezeigt wurde.
Hier einige Indizien:
• Die ICE’s sollen 300 km/h schnell fahren können – das geht nur auf Neubaustrecken.
• Die Durchmischung von Güter- und Personenfernverkehr soll aufgehoben werden – auch das geht nur durch Neubaustrecken.
• Die schnellste ICE-Linie von Hamburg ins Rheinland soll – an Hannover vorbei (!) – über eine Neubaustrecke zwischen Seelze und Bielefeld geleitet werden. Diese Linie wird man zwischen Hamburg und Hannover nicht über die Bestandstrecke abwickeln können.
Das bedeutet, wir stehen wieder ganz am Anfang mit dem drohenden Neubau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke mitten durch die Heide (Y-Trasse, oder Ashausen/Suderburg, oder Ashausen/Unterlüß, oder Ashausen/ was auch immer) mit all den Schreckensszenarien, die wir im Dialogforum bekämpft hatten.
Wir stehen damit jetzt sinngemäß an einer „letzten Abbiegung vor einer Neubaustrecke“. Wir müssen es jetzt schaffen, den politischen Druck soweit zu erhöhen, dass auf der Basis der gemachten Zusagen aus dem DSN, ergänzt mit den Vorschlägen aus dem Vieregg-Gutachten, im Sinne von Alpha E geplant wird. Das heißt, wir müssen uns angesichts der drohenden Gefahr neu orientieren und darüber nachdenken, wie wir im Verbund mit der ausschließlich die Lasten tragenden Region die Politik zum Einhalten der gegebenen Versprechungen drängen können, um damit die DB anzuhalten, dass sie den Ergebnissen der Vieregg-Studie nachkommt.
Rolf Kersjes / Fritz Kaune / Jochen Partzsch
Der Neubau – Widerstand bezieht sich auf eine Strecke, die ein weiteres Mal den bis dato relativ unberührten Teil der Lüneburger Heide durchschneiden soll und dabei die Entfernung zwischen zwei Nord – Südtrassen drastisch von 60 km Abstand auf 20 Km Abstand verkürzt, Dörfer von ihren Ländereien abschneidet, Naturschutzgebiete trennt und insgesamt durch den Flächenverbrauch keinerlei positiven Nutzen hat. Stattdessen könnte mit relativ einfachen Mitteln eine Transrapidstrecke Hamburg – Hannover die Geschwindigkeit tatsächlich erhöhen und durch Aufständerung oberhalb der bestehenden Verkehrswege wesentlich weniger Fläche verbrauchen. Auch die real beschlossene Alpha E Verbindung brächte ja schon einen Grossteil der Entlastung, die die Bahn dort benötigt.
Die Frage ist doch, worin der Nutzen tatsächlich bestehen soll, wenn ein Streifen von mehreren 100 Metern beiderseits der neuen Linie neu aus privater in öffentliche Hand überführt werden soll, zumal es sich ja vornehmlich auch um fruchtbares Kulturland handelt.
Die Wohnorte am Rande der „Neubaustrecke“ profitieren jedenfalls nicht davon sondern werden in ihrer Existenz weitgehend geschädigt.
Meine Frage ist, warum sie in Ihrer Region so vehement gegen den Neubau einer solchen Strecke sind. Entlang der A7 ist der optimale Errichtungskorridor, da die Lärmbelästigung durch die Straße sowieso schon vorhanden ist und zusätzliche Geräuschemissionen der Eisenbahn, wohlgemerkt nur von modernen Triebwagen, da Güterzüge eine solche NBS mittlerweile nicht mehr nutzen sollen, durch Schallschutzmaßnahmen so reduziert werden, dass man davon nichts mitbekommt. Des Weiteren sollte den Anwohnern der Landschaftlich durchaus reizvollen Region klar sein, dass aufgrund des Querstellen ihrerseits zig Millionen reisende Pro Jahr an unnötig langen Fahrzeiten, Zugausfällen und Verspätungen aufgrund der nicht ausreichenden Kapazitäten der Bestandsstrecken leiden. Der nutzen der Allgemeinheit durch diese Neubaustrecke übersteigt dem nutzen der Anwohner durch eine alternative Führung der Bahnstrecke deutlich. Dementsprechend unterstütze ich die Bahn gerne bei der Umsetzung ihrer Pläne im Sinne aller Beteiligten, vor allem aber im Sinne der Fahrgäste.