„We feed the world“ – Ideologie hilft nicht immer

Redakteu50pxZu einem Filmabend hatte die BI „Bäuerliche Landwirtschaft statt Agrarindustrie“ nach Gerdau ins Gasthaus Wellmann eingeladen. Als Gast konnte Heiner Scholing begrüßt werden, Abgeordneter der GRÜNEN im Niedersächsischen Landtag.

Der Film „We feed the world“ zeigte auf beeindruckende Weise viele Mißstände im Bereich Narungsmittelproduktion, Landwirtschaft und Fischereiwesen auf, die mehr als einmal Kopfschütteln und blankes Entsetzen bei den 25 Zuschauern hervorriefen.

Als Beispiel soll hier ein Bericht aus Rumänien dienen. Das Land, dass nach Frankreich die zweitgrößten Landwirtschaftlichen Flächen in der EU hat (und seit 2007 zu ihr gehört), ist arm und durch die Landwirtschaft geprägt. Aufgrund des warmen Klimas wird in Rumänien viel Gemüse angebaut. Die Bauern erzeugen traditionell ihr Saatgut selbst, indem sie die Samen ihrer Früchte ernten, trocknen und im nächsten Jahr für die Saat verwenden. Die so erzeugten Produkte sind wohlschmeckend, auch wenn sie in Form und Größe nicht die Früchte moderner Hybridsaaten erreichen. Diese haben aber noch einen weiteren, wesentlichen Nachteil: Ihre Samen können nicht verwendet werden, weil die Folgesaat verkümmert. Die Bauern müssen ihr Saatgut also jedes Jahr neu teuer kaufen und kommen so in eine Abhängigkeit zu den Saatlieferanten.

Im Film wird ein 400-ha-Hof geschildert, der bisher konventionell wirtschaftet und dabei im Wesentlichen auf Maschinen verzichtet. 60 Landarbeiter/innen waren zu sehen, die auf einem bis zum Horizont reichenden Acker per Hand die Zwiebelernte einbrachten und dabei ziemlich zufrieden wirkten. Mit dieser Arbeit  verdienen sie 50 Cent pro Stunde. Die Zwiebeln sahen, nebenbei gesagt, ganz ausgezeichnet aus.

Der rumänische Landwirt hat nun versucht seine Ware in Amsterdam an einen Großhändler zu verkaufen. Kilopreis: 27 Cent. Er ist sie jedoch nicht losgeworden, weil Zwiebeln in der EU hochsubventioniert sind und das Kilogramm dadurch lediglich 17 Cent kostet. Wie, und mit welchem maschinellen Aufwand sie bei uns produziert werden, kann sich jeder im Herbst selber ansehen.

Gleiches passiert z.B. auch in Afrika, wo die Menschen ihre produzierten Früchte nicht mehr verkaufen können, weil sie schlichtweg zu teuer sind, weil die Märkte mit hochsubventionierten Produkten aus der EU billig überschwemmt werden. Ähnliches gilt natürlich auch für den Fleischmarkt, wo nur noch über subventionierte Massenproduktion mit entsprechend einhergehenden Qualhaltungen Profit erwirtschaftet werden kann.

Die EU subventioniert ihre Landwirtschaft mit über einer Milliarde Euro – TÄGLICH !!

In der anschließenden Diskussion wurde viel Richtiges gesagt. Viele mündige Bürger haben schon länger begriffen, dass das System faul ist, sind jedoch ratlos wie man es ändern kann. Einige wehren sich bereits. Nur die Ideologen, die am Liebsten das Fleischessen abschaffen möchten, helfen in keiner Weise weiter – und Preise bis 30 Euro für ein Hähnchen auch nicht.

Die neue Regierung in Niedersachsen hat auch bereits reagiert und strebt weitere Veränderungen an, dass betonte Heiner Scholing. Das ist gut und richtig. Nur den Ansatz: „Wir müssen die Waren teuer machen“, halte ich für verkehrt. Das trifft (wieder mal) nur die wirtschaftlich Schwachen, die auf ein günstiges Warenangebot angewiesen sind, die Qualität wird damit nicht besser. Regelt man das über Steuern, spült es dem Staat mehr Geld in die Kassen. Geld, das er dann für noch mehr und noch höhere Subventionen verwenden kann?

Der Ansatz müßte richtigerweise lauten: Subventionen für die Landwirtschaft streichen – und zwar möglichst komplett und EU-weit. Der Landwirt muß seine Produkte anbauen und zum realen Preis auf dem Markt anbieten können. Er müsste wie jeder freie Unternehmer wirtschaftlich handeln und dabei die Wünsche der Kunden berücksichtigen. Die Landwirtschaft darf nicht kaputtgemacht, aber sie muß umgestaltet werden. Mit den eingesparten Geldern könnte man dann z.B. hochwertiges Schulessen subventionieren und Maßnahmen in der Umwelt, die gegen Bezahlung z.B. auch von Landwirten durchgeführt werden könnten. Und hier ist die Politik gefordert.

Gegen Missstände, z.B. bei der Putenmast, kann der Verbraucher direkt einwirken, indem er keine Pute mehr kauft. Da ist jeder selbst in der Verantwortung. Aber Subventionen sind politische Entscheidungen. Da sind Politiker gefordert, die energisch und durchsetzungsstark den Lobbyisten widerstehen. Subventionsabbau – und nicht nur um ein paar mickrige Euros – wäre ein prima Wahlkampfthema.

Nur wer hat die richtigen Leute auf den Wahllisten mit dem entsprechenden „Arsch in der Hose“? Ich bin überzeugt, sie würden gewählt.

 

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