Was uns das Protokoll verrät

1. Welche Wertschätzung die politischen Gremien unserer Gemeinde den Fragen der Suderburger Einwohner zu kommunalen Angelegenheiten entgegenbringen, kann man ganz gut den Protokollen über die Einwohnerfragestunde in den Rats- und Ausschusssitzungen entnehmen. Keine.
Anders als bei den anderen Rednern der Sitzungen werden weder der Name des fragenden Einwohners, noch der Inhalt seiner Frage und die Antwort wiedergegeben. Eine inhalts- und somit wertlose Protokollnotiz soll reichen – ganz gleich, welche Bedeutung das Thema für den Fragenden oder auch für die Allgemeinheit hat.

Beispiele: Einwohner W. fragte am 19.1.2015 im Rat, welche rechtlichen und finanziellen Auswirkungen für die Gemeinde und die Nutzer die seit dem 26.12.2012 versäumte Ausschreibung der Neuvergabe des Konzessionsvertrages zur Gasversorgung habe.
Das Protokoll über die Ratssitzung „verrät“: „Der Bürgermeister und die Verwaltung beantworten Anfragen zu den Themen Ausschreibung der Gaskonzession, Regenwasserbeseitigung in der Gemeinde Suderburg sowie Wirtschaftswegeausbau in Zusammenarbeit mit der Wald- Marketing GmbH.“ Aha!

Oder, Bau-und Wegeausschuss vom 21.4.2015, Einwohnerfragestunde: „Es werden von der Verwaltung Anfragen zu der Abrechnung privater Regenwasserhausanschlüsse in der Ortsdurchfahrt Suderburg sowie zur Flüchtlingsunterbringung beantwortet.“ Alles klar?

Sind denn all solche Fragen der Bürger, die sich Gedanken über das Gemeinwesen machen, weniger hilfreich oder weniger wertvoll für die Allgemeinheit? Wie kann durch ein derart amputiertes Protokoll gegebenenfalls Verlässlichkeit für den Fragenden und evtl. andere Betroffene geschaffen werden? Vielleicht möchten auch in der Sitzung nicht anwesende Einwohner gerne wissen, was zu diesem oder jenem Geschehen in der Gemeinde gefragt und vor allem, was geantwortet wurde.

Aber klar ist: an der Beweiswirkung, die einem Sitzungsprotokoll sonst zukommt, können die in Suderburg praktizierten aussagelosen Protokollnotizen nicht teilnehmen. Wohl aber enthalten sie eine Option für künftige Auseinandersetzungen, wie etwa: die Frage in der Einwohnerfragestunde sei doch nicht so, sondern anders gestellt worden, die Antwort sei doch nicht so, sondern anders gegeben worden.

Der Landkreis Uelzen hingegen pflegt in seinen Sitzungsprotokollen eine andere, respektvollere Kultur: in jeder Sitzung findet am Anfang und am Ende der Beratungen eine Fragestunde statt, und der wesentliche Inhalt der Beiträge (mit Name des Fragenden, der gestellten Frage und der Antwort des Landrates) wird wie selbstverständlich protokolliert (s. z.B. Kreistag vom 16.4.2013 TOP 15).

2. Die Protokolle geben aber auch Aufschluss über die Wertschätzung, die den anderen Akteuren in den Sitzungen, also Verwaltungs- und Ausschussmitgliedern, beigemessen wird.
Wer glaubt, es reiche aus, nur in der jedem Protokoll vorangestellten Anwesenheitsliste zu dem Namen die geltende Funktionsbezeichnung zu nennen, unterschätzt die überragende Bedeutung von „Titeln“. Nein, in dem Text der Protokolle wird jeweils zu einem Namen diese Bezeichnung noch einmal wiederholt!
Das liest sich dann so, z. B. im Protokoll über die Sitzung des Bau- und Wegeausschusses vom 24.3.2015: „Fachbereichsleiter Rüdiger Lilje teilt mit,…“, „Fachbereichsleiter Rüdiger Lilje trägt vor …“, „Fachbereichsleiter Rüdiger Lilje berichtet …“ u.s.w., insgesamt 21 Wiederholungen; Udo Depner, „Ausschussvorsitzender“ 10 Wiederholungen, bei div. „Ratsmitgliedern“ 9 Wiederholungen; sonstige Mitglieder im Ausschuss werde langatmig und endlos mit „beratendes Ausschussmitglied“ betitelt, 17 Wiederholungen! Bei einem Verzicht auf diesen Firlefanz würde vermutlich das Protokoll von 7 auf 5 Seiten schrumpfen. Meine Anregung, diese fast kurios anmutende Inflation der überflüssigen Zusätze zu unterlassen, überzeugte leider nicht. Würde es nicht reichen, schlicht und einfach zu protokollieren: Herr Lilje berichtet…, Frau Pichan erklärt…, Herr Lüder weist darauf hin…?

3. Zurück zu den Fragen der Einwohner. Sie sind unbeliebt, auch weil sie Arbeit machen, sie werden – siehe oben – ungern protokolliert, um sich nicht festzulegen; protokolliert sind sie „gefährlich“, da Bürger sich darauf berufen könnten. Fragen der Bürger sind unerwünscht: in Suderburg gibt es nur eine Einwohnerfragestunde, nämlich am Anfang der Sitzung, vor den
Beratungen? Nicht auch noch danach eine Weitere. So vermeidet man die Peinlichkeit, nach den Beratungen und Beschlussfassungen durch die Einwohnerfragen darauf gestoßen zu werden, dass man etwas falsch gesehen oder übersehen hat und hätte eventuell anders entscheiden müssen. Verständlich vor diesem Hintergrund, dass meine Anregung für die Einführung der 2. Einwohnerfragestunde nicht weiter aufgegriffen wurde.

Einwohnerfragen sind unbequem: Wollte nicht auch deswegen die Suderburger SPD seinerzeit das in der Geschäftsordnung verankerte Recht, Fragen nicht nur an die Verwaltung, sondern auch an die Ratsmitglieder direkt richten zu können, abschaffen?
Dies gelang bekanntlich nicht (s. „Bürgerfragerecht bleibt unverändert“, www.suderburg-online.de vom 5. 2. 2014).

Auch beim Landkreis, dessen Geschäftsordnung das direkte Fragerecht der Bürger an die Politiker bisher nicht enthält, konnte das CDSPU-
Kartell der Verdrussparteien seine Einführung bis heute noch verhindern.
Politiker sind eben den Bürgern keine Rechenschaft schuldig.
Basta.
Es lebe die Parteienverdrossenheit !

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4 Kommentare

  1. Götz Schimmack Antworten

    Die 2. Einwohnerfragestunde in den Rats-und Ausschußsitzungen, die es beim Landkreis und bei der Samtgemeinde bereits gibt, ist nun endlich im zweiten Anlauf auch für die Gemeinde Suderburg beschlossen worden. Am 19. Mai 2015 war ein entsprechender erster Antrag der „Grünen“ noch mit 8 gegen 5 Stimmen abgelehnt worden. In der Ratssitzung vom 12.12.2016 sprachen sich jetzt 10 Ratsmitglieder – darunter die der SPD – für die bürgerfreundliche 2. Einwohnerfragestunde aus, nur die CDU machte nicht mit, ohne ihre Ablehnung zu begründen. Nichts geändert hat sich bisher leider an der oben geschilderten, gegenüber den Bürgern respektlosen Protokollierung ihrer Fragen.

  2. Werner Bollhorn Antworten

    Die gesetzliche Basis für jegliche Ratsarbeit ist die Niedersächsische Kommunalverfassung. Kurz NKomVG.
    In § 68 ist sie mehr als eindeutig und wohl auch für nicht so sehr im Recht beheimatete Ratsmitglieder nachvollziehbar:

    1 Über den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen der Vertretung ist ein Protokoll zu fertigen.

    So sieht das dann im letzten veröffentlichten Protokoll aus der Gemeinde Gerdau aus:

    4 Einwohnerfragestunde
    Es werden Fragen zu den TOP 5 und 6 beantwortet.

    Das wars. Vielleicht erinnert sich jetzt der Eine oder Andere an den Wahlspruch eines entscheidenden Gerdauer CDU-Mitglieds:

    „Was interessieren uns Gesetze, wir haben die Mehrheit.“

    Noch Fragen?

  3. Ratskritiker Antworten

    Wer den Artikel von G. Schimmak liest, muss denken, dass in den Gemeinderäten und im Samtgemeinderat nur unmündige Volksvertreter sitzen, die nur der Verwaltung das Wort reden und alles glauben, was aus der Verwaltung kommt.
    Warum z.B. kann in den kommunalen Gremien der Samtgemeinde Suderburg und den 3 Mitgliedsgemeinden nicht genauso verfahren werden wie in anderen Kommunen oder im Kreistag.
    Muss die Selbstverwqaltung alles kritiklos schlucken, was der ehemalige SG-Bürgermeister F. Schulz im Hinblick auf die Anfertigung von Protokollen „angeordnet“ hat ohne die Selbstverwaltung zu beteiligen?
    Sind die Ratsdamen und Ratsherren für die Verwaltung da oder ist es nicht so, dass die Verwaltung für alle Bürgerinnen und Bürger der Samtgemeinde beratend und helfend da ist?
    Es gibt noch sehr viel in der Samtgemeinde Suderburg und den 3 Mitgliedsgemeinden zu tun!

  4. Michel Rat-los Antworten

    Die restriktive Handhabung der Protokollierung, insbesondere bei den Einwohnerfragen, wurde seinerzeit noch vom früheren Gemeindedirektor Friedhelm Schulz im Alleingang angeordnet, obwohl doch nach der Geschäftsordnung der Bürgermeister für das Protokoll verantwortlich ist.
    Der Rat einschließlich Bürgermeister nahm die Vorgaben widerspruchslos und ohne jegliche Diskussion zur Kenntnis, getreu der üblichen Praxis im Suderburger Gemeinderat, was von der Verwaltung kommt wird ohne viel Federlesens geschlossen und einig abgenickt. Eine Diskussionskultur gibt es dort nicht.

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