Dialogforum – da ist noch Feuer im Busch…

Manche Dinge brauchen Zeit. So auch diese Einschätzungen zum ersten Dialogforum Schiene Nord. Erst mal sacken lassen…

Was ist rausgekommen, was passiert nun eigentlich? Danach. Jetzt. Planungsgruppen und Ingenieurbüros werden rotieren. Überstunden dürften angesagt sein, denn sie haben die Aufgabe bis zum 24. April die Berechnungen der neu hinzugekommenen Trassen vorzunehmen.
Die sind das einzige, wichtige Ergebnis dieses ersten Forums: VCD-Alternative (Breimeier-Plan), Alpha-Variante (Lühmann-Vorschlag) und die OHE-Strecke sind jetzt als zusätzliche Varianten mit „im Spiel“.

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Hervorragende Location, hervorragend vorbereitete Veranstaltung, hervorragende Moderation: Die Agentur vom Hoff hat nichts ausgelassen oder falsch gemacht, um hier zu punkten. Soweit das Resümee zum Drumherum. Ein paar Kleinigkeiten, Details, sind vielleicht verbesserungswürdig oder könnte man anders machen. Insgesamt hat die Veranstaltung aber einen sehr positiven Eindruck hinterlassen.

Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies und Moderator Jens Stachowitz
Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies und Moderator Jens Stachowitz

Der Vormittag war anstrengend und ermüdend, er erinnerte über weite Strecken an Frontalunterricht: Selbstdarstellung. Die Vorstellung vieler (größtenteils bekannter) Daten, Fakten und Vorgehensweisen war sicher notwendig, um die knapp 80 Teilnehmer/innen auf einen Stand zu bringen.
Doch trotz vieler Charts blieben Fragen offen, die, wenn gestellt, häufig auf später vertagt wurden.
Auf ein Später im Konzept des Moderators Jens Stachowitz und der Agentur vom Hoff.
Die – und das dürfte jedem klar geworden sein – lassen sich nicht die Butter vom Brot nehmen.
Was stört kommt später.forum2

Für die, die fragten, war das nicht unbedingt zufriedenstellend, dass offenbarten die einzelnen Kritiken am Ende der Veranstaltung. Enttäuschungen in Detailfragen wurden aber hingenommen, solange sie dem Fortkommen der Veranstaltung dienten.
Er sei von der Disziplin der Gruppe angetan, meinte ein Teilnehmer am Veranstaltungsschluß.
Das war zu Recht bemerkenswert.
Vertagte Fragen sind nicht weg, es sei denn, sie erledigen sich mit der betroffenen Strecke. Sie sammeln sich in der Zukunft und werden zum Brennstoff für das noch rauchlose Feuer im Busch.

Das loderte kurz auf, am Nachmittag, als es um die Frage zusätzlicher Alternativen ging. Eine Forderung aus der Gruppe war, die Breimeier-Variante nicht mit aufzunehmen. Sie sei geeignet, die Chancen Gorlebens als Endlagerstandort zu erhöhen. Ein weiterer Teilnehmer forderte, die OHE-Strecke auszulassen.
Beides brachte die Versammlung in Wallungen: „Wenn, dann kommt hier alles auf den Tisch, sonst können wir auch nach Hause gehen“, meinte nicht nur Doris Kelle von der BI Suderburgerland. Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt drohte sogar mit späterer Klage, sollte es keine gleichmäßige Berücksichtigung geben, denn „…damit wäre diese Veranstaltung gerichtlich anfechtbar“.

Inwieweit Entscheidungen des Forums gerichtsfest sind, damit werden sich Verwaltungsjuristen beschäftigen. Die einzige „Stellschraube“ die nicht angreifbar ist, ist die Gewichtung der Kriterien zur Entscheidungsfindung.
Darauf wies Projektleiter Daniel Hitschfeld von der vom Hoff Kommunikation GmbH hin und brachte als Beispiel die Stiftung Warentest: Eine hohe Gewichtung auf geringen Stromverbrauch kann ein Gerät in der Wertung schnell nach unten drücken, das in allen Punkten sehr gut ist, dabei aber mehr Strom verbraucht.

Das, was im ersten Moment nach wenig Einflussmöglichkeit klingt, ist – richtig angewandt – später vielleicht doch kein zahnloser Tiger?

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Vor allen Entscheidungen und Einflussmöglichkeiten des Forums, steht als mächtiger „Totschläger“ aber erst einmal das Ausschlusskriterium Nummer eins der Planer: die Kosten-/Nutzenanalyse. Sie entscheidet drüber, ob eine Trasse im Dialogverfahren bleibt oder nicht. Nur wenn der Nutzen einer Trasse höher ist als ihre Kosten (>1), bleibt die Variante im Spiel. Damit wird es u.U. bereits zum nächsten Forum spannend, denn theoretisch könnten mit dieser Analyse die neu hinzugekommenen Strecken schon wieder vom Tisch sein…

Nicht so recht passend wirken die Kriterien der Kosten-/Nutzenanalyse für die geplante Trasse: Zur späteren Aufnahme des Projektes in den Bundesverkehrswegeplan stehen auf der Kostenseite die Investitionen als einziger Faktor. Bei den Nutzen sind es Reisezeitvorteile, Verkehrssicherheit, Betriebskosten und Emmissionen – CO2 und Lärm. Ergo erhöht der sichere Transport möglichst vieler Reisender auf einer schnellen Strecke den Nutzen. Gleichzeitig sinkt das CO2-Aufkommen (die Reisenden lassen schließlich ihr Auto stehen) was weiter den Nutzen erhöht.
Alles Faktoren, die vorwiegend auf „Personenstrecken“ anwendbar sind. Steht im Dialogforum aber nicht der zunehmende Güterverkehr im Fokus?

forum5Alle Kriterien der Bürgerinititiven wie Landschaftszerschneidung, Umweltzerstörung und negative Folgen für Lebensraum und Wohnorte der Menschen, gehören auf die Kostenseite, haben bisher jedoch keinen Einfluß.
Noch abstruser wird die Angelegenheit, betrachtet man isoliert den Lärm. Er steht in der Kosten-/Nutzenanalyse klar auf der Nutzenseite: weil Lärm auf den Straßen reduziert wird…

Das sind kaum lösbare Widersprüche im System, im Rahmen von geltendem Recht. Genau aus diesem Grund können Verschwörungstheoretiker die unter der Hand geäußerten Verdachtsmomente gegen die Planer getrost zuhause lassen. Das Verfahren ist transparent und ehrlich, die Verantwortlichen sind es gefühlt auch.
Sie haben es nicht mal nötig anders zu sein, denn mit den gegebenen „Werkzeugen“ gehen sie überhaupt kein Risiko ein. Es ist ihnen egal: den Planern wo sie planen und der Bahn wo sie dann langfährt, solange die Kosten und Nutzen stimmen.
Den einzigen Vorwurf den man ihnen machen könnte ist der, die Infrastruktur ausbauen zu wollen. Aber die Notwendigkeit des Ausbaus wurde im Dialogforum von niemandem bestritten. Also wird am Ende des Forums eine Strecke herauskommen, egal ob sie dem Einzelnen gefällt oder nicht.

Nun beginnt also die Zeit der Strategen und Taktiker im Forum: wo und wie baut man über die Gewichtungen Hürden für eine Strecke ein, die aus Kosten-/Nutzen-Gründen zu ihrem Ausschluss führt, oder sie zumindestens schlechter aussehen lässt. Unabhängig von der Sinnhaftigkeit wird die Abwägung von Kosten und Nutzen als Damoklesschwert über jeder Einzelentscheidung schweben.

Weißmacher und Schwarzmaler…

DruckMan kennt das aus der Farbenlehre: drei Grundfarben per Licht an die Wand geworfen ergeben ein helles Weiß. Werden sie als Druckfarben übereinander auf Papier gedruckt, wird daraus ein schmutziges Schwarz. Vielleicht ist das ein ganz gutes Bild für das Dilemma des Dialogforums:

Im Forum sitzen die „Lichtmischer“. Hier werden wichtige „Partikel“ zusammengetragen und andere entfernt, um saubere Grundfarben zu erzeugen. Zusammen an die Wand projeziert, ergeben sie ein makelloses Weiß. Alles und jeder wurde berücksichtigt, es wurde transparent und demokratisch abgewogen. Das Ergebnis an sich ist eine saubere Lösung.

Die Lösung enthält für die Betroffenen die gleichen Farben. Zusammen gedruckt ergeben die allerdings das schmutziges Schwarz, mit dem sie zukünftig leben müssen.

Der Supergau für jeden Einzelnen im Forum, der dafür dann den Kopf hinhalten muß. Und deshalb ist noch Feuer im Busch, dass spätestens dann auflodern wird, wenn es ans Eingemachte geht.
Spätestens wenn Strecken relativ gleichwertig gegeneinander stehen, kommt die Nagelprobe für die Vertreter/innen der Bürgerinitiativen…

forum6Was war noch?

Ein Besucher beschwerte sich, dass seine BI nicht im Forum vertreten ist, nun aber von einer der zusätzlichen Variante betroffen ist: „Mit Demokratie hat das nichts zu tun… Strecken werden dazugenommen und die Betroffenen sind nicht dabei!“
Moderator Stachowitz sicherte zu, dass selbstverständlich alle BI’s zusätzlich eingeladen werden, die durch die hinzugekommenen Varianten betroffen sind.

Eine hartnäckig von verschiedenen Forumsteilnehmern geäußerte Kritik betraf die bisherige Ablehnung externer unabhängiger Sachverständiger.
Hans-Peter Wyderka, Referatsleiter im Niedersächsischen Verkehrsministerium, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Start des Forums und der konstruktiven Arbeitsatmosphäre. Er sicherte in seinem Schlußwort für das Ministerium zu, dass „wenn es zu konkreten Fragen kommt, werden wir eine Lösung für externen Sachverstand finden“.

Seine Enttäuschung äußerte ein Teilnehmer: „Wir haben uns mit unterschiedlicher Terminologie über die gleichen Sachen unterhalten und uns nicht verstanden“.

Ein anderer meinte: „Wir machen hier große Politik, aber wir reden nicht über die Menschen“.

Seinen Dank an den Moderator verband ein anderer mit dem Hinweis auf seine persönliche Argumentationsnot: „Die Menschen verstehen den Bedarf nicht. Die Nachvollziehbarkeit der Prognosen ist nicht da und muss hergestellt werden, sonst kann man das den Menschen nicht vermitteln“.

Kritisiert wurde die „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ während der Mittagspause. Die mitgereisten Beobachter und Gäste wurden in einen separaten Raum komplimentiert, in dem sie Speisen und Getränke kaufen konnten, während die Forumsteilnehmer zum Büffet gingen. „Mein Essen will ich schon gerne selbst bezahlen, aber gerade die Mittagspause ist eine Gelegenheit zur Kommunikation, die auf diese Weise unterbunden wird. Dann kann ich auch zu Hause bleiben und mir den Live-Stream ansehen…“, war nur eine Stimme von vielen.

Etwas Unmut über die „Oberen Zehntausen“ entstand vor der Tür, nachdem eine „Dienstwagen-Parade“ den Hof der Union in Beschlag genommen hatte. Dort herrscht absolutes Halteverbot… „Während wir auf unsere Kosten den Parkautomat füttern, lassen sich die Herren direkt vor der Tür abholen und auf Kosten der Allgemeinheit nach Hause chauffieren…“
Das geht ja vielleicht auch ein bischen dezenter, oder es gibt Parkscheine für alle…

AudiParade

Wer die Inhalte der Veranstaltung nachvollziehen möchte, kann sämtliche Dokumente auf http://www.dialogforum-schiene-nord.de/ einsehen. Der Link zur Aufzeichnung der Veranstaltung auf YouTube soll dort ebenfalls zu finden sein.

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Ein Kommentar

  1. T.Chlouba Antworten

    Bitte Terminologie draus machen. Das Problem ist das Gleiche wie bei der festen Fehmarn Belt Querung: die Knaben sind es nicht gewohnt Normalsterblichen Fakten zu vermitteln. Und da die gleichen Firmen, die bei der Kosten – Nutzen Rechnung regelmäßig kapitale Böcke schiessen auch diese Prognosen erstellen, wer soll ihnen da Alles glauben?
    Ein – gern schlichteres – Essen für alle wäre in Celle wohl sinnvoll. Und vielleicht sollte das Dialogforum unseren so wichtigen Politikern das Parkhaus nahelegen.
    Sonst hübsch gemacht.
    Gruß aus Burgwedel
    Thomas Chlouba

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