Brexitus letalis…

Wir sollten uns was schämen! Wieder einmal hat sich gezeigt, wodurch der Umgang der Menschen miteinander tatsächlich geprägt ist: Lieblosigkeit, Oberflächlichkeit, Gleichgültigkeit, Egoismus, „Hauptsache, mir geht’s gut!“ Niemand kümmert sich um die anderen, die Schwachen und Benachteiligten, wie es ihnen ergeht, was aus ihnen wird – „Was schert’s mich?“ So neuerlich im Falle des Vereinsamten Königreichs:

Erste Gerüchte kamen im Herbst 2017 auf: Die CDSU hatte bei der Bundestagswahl erwartungsgemäß die absolute Mehrheit errungen, woraufhin Angela Merkel sämtliche Regierungschefs der Welt einlud, ihrer Krönung zur Bundeskaiserin beizuwohnen – doch der Brief an den britischen Premier kam als unzustellbar zurück. Was war geschehen?

Der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung brauchte nicht lange zu investigativieren, und die Gerüchte verdichteten sich zur Gewissheit: Großbritannien ist weg, futsch, einfach nicht mehr da. Wo einst die britische Insel sich erstreckte, plätschert weit und breit nur noch Wasser. Und niemandem war es bislang aufgefallen – aus den Augen, aus dem Sinn. Peinlich, peinlich!

Jetzt kommen natürlich wieder die sattsam abgedroschenen Ausflüchte und Schuldabweisungen: „Ich kann mich doch nicht um alles kümmern, für Randgruppen sind der Papst und die Grünen zuständig, zu viel Stress, die Doppelbelastung in Beruf und Erotik, keine Zeit, Familie und Haushalt, das Wetter, der Rasen und und und“ – man kennt das ja.

Die UN, deren vornehmste Aufgabe es ist, ihre Schäfchen zu behüten und zu umsorgen, steht nun ziemlich belämmert da, ist sie doch dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Aufsichtspflicht gröblich verletzt zu haben. Nun versucht sie hektisch, den Sachverhalt aufzuklären: Wann wurde die britische Insel das letzte Mal gesehen? Wirkte sie hilflos, verwirrt, verwahrlost? Auch eine von Ban Ki-moon anmoderierte tränenselige Sondersendung von „Julia Leischik sucht: Bitte melde dich!“ führte zu keinem Erfolg. Außer dass nun auch Julia Leischik verschollen ist.

Allein die Aussies sind wie stets total relaxed und easy-going und sagen sich „No worries, mate!“: Nach einer flugs anberaumten Volksabstimmung hat Australien seine Unabhängigkeit proklamiert und den britischen Generalgouverneur abgeschoben.

Irgendwie hatten wir uns im Laufe der Jahre mit ihrem Vorhandensein abgefunden, aber wenn man es jetzt so im Nachhinein bedenkt: Eigentlich stand die britische Insel immer nur im Weg herum. Jetzt endlich hat der warme Golfstrom ungebremsten Durchfluss, die Belgier und Franzosen können ausgedehnte Segeltörns auf der Nordsee unternehmen, den Iren ist nun der unverbaute Blick aufs Meer vergönnt.

Was hatte Großbritannien überhaupt zu bieten? Da gab es ja nicht mal eine Nationalmannschaft. Das einzig Interessante waren die Queen und Jack the Ripper. Letzterer war aber schon lange tot, und Elisabeth – na ja …

Großbritannien ist also auf immer von uns gegangen. Wir wollen ihm ein ehrendes Angedenken bewahren und ihm von Herzen wünschen, dass es ihm dort, wo es sich jetzt befindet, besser geht als in diesem irdischen Jammertal, das seit je den gravierenden Nachteil hatte, nicht nur aus England und seinen Kolonien zu bestehen.

Rest in peace. And splendid isolation!

Dietrich Klabunde

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