AbL rügt Gemeinde- und Landkreis-Ausreden

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) rügt Gemeinde- und Landkreis-Ausreden zu Keimverbreitungs-Gutachten

Nach einer ersten Positionierung des Landkreises und einer Sitzung des Gerdauer Bauausschusses am 1.10.2012 in Gr. Südtedt zu Bauanträgen auf Großmastställe hat die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) etliche „gravierend fehlerhafte Behauptungen der Verwaltung und der Mehrheitsfraktion zu Befugnissen der Gemeinden bei Bauanträgen“ richtiggestellt. „Die Rechtslage ist eindeutig“, so AbL-Agrarindustrie-Experte Eckehard Niemann, „Gemeinderäte können sich mit dem falschen Verweis auf angeblich beschränkte Rechte oder drohenden Schadenersatz nicht mehr aus ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern herausreden.“ Auch die Behauptung des Landkreises, ein Keimverbreitungs-Gutachten sei nicht geboten, sei nachweislich unrichtig und investorengeneigt.

Jede Gemeinde habe im Rahmen ihrer Prüfung des „gemeindlichen Einvernehmens“ bei Außenbereichs-Bauvorhaben beileibe nicht nur das Recht zu Stellungnahmen in Fragen von Flächennutzungsplan, Zuwegung und Brandschutz. Vielmehr habe das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 20.5. und 1.7.2010 endgültig festgestellt, dass die Gemeinden bei Bauvorhaben nach § 35 Bundesbaugesetzbuch eine identische Prüfkompetenz wie die Genehmigungsbehörde (hier: der Landkreis) habe: also auch zu schädlichen Umwelteinwirkungen auf Menschen oder zu Belangen des Naturschutzes. Die Gemeinden könnten ihr Einvernehmen sogar ohne Begründung verweigern, wobei generell nach höchstrichterlichem Urteil des BGH vom 16.9.2010 keinerlei Haftungsrisiko der Gemeinden oder Ratsmitglieder bestehe.

Als unrichtig bezeichnet die AbL auch die Behauptung des Landkreises und der Gemeindevertretung, man brauche kein Gutachten über die Verbreitung der antibiotikaresistenten MRSA- und ESBL-Keime (Bioaerosole), weil es angeblich keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über deren Schädlichkeit oder Schadschwellen gebe. Hierbei werde nicht nur das Urteil des OVG Lüneburg vom 9.8.2011 fehlerhaft zitiert, sondern auch noch das neuere Urteil des OVG Niedersachsen vom 13.3.2012 verschwiegen. In diesem Urteil stelle das OVG eindeutig fest, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit von Bioaerosolen führten dazu, dass unter Vorsorgegesichtspunkten eine Erhöhung von Immissionskonzentrationen gegenüber bisherigen Hintergrundwerten zu vermeiden und zu verhindern sei. Dabei gebe es keine festen Abstandsgrenzen, vielmehr müssten die ortspezifischen Bedingungen berücksichtigt werden

Als ebenso investorengeneigt bezeichnet die AbL die Behauptung des Landkreises, auch laut Entwurf des Filter-Erlasses der Landesregierung sei kein Keim-Unbedenklichkeitsgutachten erforderlich. Die Landkreis-Behauptung über angeblich vorgegebene Abstandgrenzen sei falsch. Im Erlass-Entwurf werde ganz im Gegenteil dazu auf die Notwendigkeit solcher Gutachten auch bei weiteren Abständen als 500 Metern hingewiesen, wenn z.B. bestimmte Ausbreitungsbedingungen, benachbarte weitere Mastanlagen oder empfindliche benachbarte Nutzungen dies erforderten. Wenn die Gerdauer CDU-Fraktion die Forderung von SPD und Grünen nach solchen Gutachten ablehne, gehe sie ebenso wie der Landkreis fahrlässig über die Sorgen der Menschen um ihre Gesundheit hinweg. Die AbL forderte Landkreis und Gemeinde auf, die Frage einer LKW-tauglichen Zuwegung unvoreingeommen zu prüfen und beim Brandschutz die vorbildlichen Regelungen der Region Hannover anzuwenden.

Die AbL unterstützte die Kritik an der Entscheidung der Gerdauer CDU-Ratsmehrheit, keine Fachleute von außerhalb der Gemeinde anzuhören. AbL-Vertreter Niemann bedankte sich aber für die Anerkennung seiner Sach-Orientierung durch den CDU-Ratsherrn Kleuker – die nachträgliche Entschuldigung des CDU-Ratsmitglieds Krüger für dessen verunglimpfenden Äußerungen habe er akzeptiert. Viele andere Landwirte hätten bereits erkannt, dass Maßnahmen gegen agrarindustrielle Mastanlagen und Konzern-Vertragsmast den mittelständisch-bäuerlichen Strukturen und deren Akzeptanz nützten und nicht schadeten.

Eckehard Niemann

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3 Kommentare

  1. Arnold Kröger Antworten

    Das kommt davon, wenn man Sachbeiträge durch Redeverbot verhindern will. Nun ist es halt öffentlich. Gut so!
    Das ist aber nur ein kleiner Teil der angesprochenen Sitzung des Bau,- Wege- und UMWELTausschusses der Gemeinde Gerdau.
    Die Vertreter der CDU im Ausschuss mit ihrer Vorsitzenden fühlen sich nach eigenen Aussagen nämlich für Fragen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes für die Bevölkerung nicht zuständig.
    Einen Antrag auf Erstellung von Gutachten und die Forderung nach Einbau von Filtern, die eine mögliche Gefährdung durch Keime und Feinstäube reduzieren, lehnten sie jedenfalls geschlossen ab.
    Fragen während der Einwohnerfragestunde wurden teilweise garnicht, andere mit fadenscheinigen „Argumenten“ ausweichend beantwortet.
    Auch mit meinen Verständnisfragen an die Verwaltung zum Baurecht wurde ich vertröstet, da man sich rechtlich absichern wollte.
    Dafür habe ich Verständnis. Es wirft aber die Frage auf, ob die bislang geäußerten Positionen immer rechtlich einwandfrei waren.
    Ich bin gespannt auf die zugesagten Antworten und auf die Protokolle der Sitzungen, die im Bürgerinformationssystem veröffentlicht werden.

    • Arnold Kröger

      Nachtrag:
      Für die in diesem Zusammenhang auch von Ausschussmitgliedern geäußerten Ansichten, man müsse Massentierhaltung betreiben, um den Wunsch der Verbraucher nach Billigware zu befriedigen und damit womöglich noch die Welternährung sichern, sind derart perfide, dass ich mir wünsche, dass sich die gesamte CDU – Fraktion etwas sachlicher mit dem Thema auseinandersetzt und nicht automatisch Anträge ablehnt, nur weil sie von der(n) SPD/GRÜNEN kommt. Dieser Eindruck konnte jedenfalls entstehen.
      Eine Empfehlung ist in diesem Zusammenhang die ARTE – Reihe im Fernsehen, demnächst 16.10.2012, 20:15 Uhr
      Vielen Dank!

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